19.10.2024
Dringlichkeit der Waffenruhe im Nahen Osten: Ein Überblick über die Entwicklungen

Lage im Überblick: Blinken in Nahost: Zeit drängt für Waffenruhe

US-Außenminister Antony Blinken setzt seine intensiven Bemühungen um eine Waffenruhe im Gazastreifen fort, begleitet von wachsender Skepsis. Nach Gesprächen in Israel reiste er weiter nach Ägypten und Katar, die zusammen mit den USA an indirekten Gesprächen über eine Einigung zwischen Israel und der radikalislamischen Hamas beteiligt sind. Trotz dieser diplomatischen Aktivitäten beendete Blinken seine Reise ohne konkrete Ergebnisse. Medienberichte deuten darauf hin, dass das angestrebte Abkommen kurz davor steht, zu scheitern, ohne dass eine unmittelbare Alternative in Sicht ist. Gleichzeitig eskalierte die Situation an Israels Nordgrenze, wo die libanesische Hisbollah und die israelische Luftwaffe erneut gegenseitig Ziele im jeweils anderen Land angriffen.

Blinken: Dringlichkeit der Waffenruhe

Bei seiner Abreise aus Doha äußerte Blinken vor Journalisten: „Wir müssen die Vereinbarung einer Waffenruhe und Geisel-Freilassung über die Ziellinie bringen.“ Er betonte, dass die Zeit drängt, da das Leben der Geiseln der Hamas mit jedem Tag gefährdeter wird. Zudem leiden die Menschen in Gaza unter den anhaltenden Konflikten. Alle Vermittler, einschließlich Katar und Ägypten, stehen in direktem Kontakt mit der Hamas, um eine Einigung zu erzielen. Blinken kündigte an, dass in den kommenden Tagen alles unternommen werden soll, um die Hamas mit dem Überbrückungsvorschlag an Bord zu bekommen. Danach müssten sich die beiden Seiten auf weitere Details einigen.

Netanjahu und die Hamas: Uneinigkeit über Bedingungen

In einem Treffen mit Ministerpräsident Benjamin Netanjahu erklärte Blinken, dass dieser den von den USA unterstützten Vorschlag für eine Waffenruhe akzeptiert habe. Dieser Vorschlag, als „Überbrückungsvorschlag“ bezeichnet, basiert auf einem Plan, den US-Präsident Joe Biden im Mai vorgestellt hatte. Nun liege es an der Hamas, diesem Vorschlag zuzustimmen. Die Hamas hingegen warf den USA vor, sich den Bedingungen Netanjahus gebeugt zu haben. Laut ihrem Sprecher Osama Hamdan werde die Hamas keine neuen Bedingungen aushandeln und bestehe darauf, dass nur der ursprüngliche Plan von Biden zur Diskussion stehe. Blinken wies diese Vorwürfe zurück und erklärte, der Überbrückungsplan enthalte lediglich Klarstellungen und Details zum ursprünglichen Plan.

Der Plan von Biden: Ein dreistufiger Ansatz

Der Plan von Biden sieht in drei Phasen vor, zunächst eine Waffenruhe von sechs Wochen zu etablieren. In dieser Zeit sollen bestimmte Geiseln freigelassen werden, während im Gegenzug Palästinenser, die in Israel inhaftiert sind, ebenfalls freikommen sollen. In der zweiten Phase sollen die Kämpfe dauerhaft eingestellt werden, gefolgt von der Freilassung der verbleibenden Geiseln. In der letzten Phase ist der Wiederaufbau des Gazastreifens vorgesehen.

Netanjahu und strategische Standorte

Bei einem Treffen mit Angehörigen von Geiseln äußerte Netanjahu, dass es ungewiss sei, ob ein Deal mit der Hamas zustande kommen könne. Er betonte zudem, dass er nicht bereit sei, von strategisch wichtigen Pufferzonen zwischen dem Gazastreifen und Ägypten sowie dem Nezarim-Korridor, der den Gazastreifen in einen nördlichen und einen südlichen Abschnitt teilt, zurückzutreten. Die Hamas besteht jedoch auf einem vollständigen Rückzug der israelischen Truppen aus dem Gazastreifen als Bedingung für eine Waffenruhe. Kritiker werfen Netanjahu vor, eine Einigung zu blockieren, da er um das Überleben seiner Regierungskoalition fürchtet.

Ägypten und die breitere Anerkennung eines Palästinenserstaats

Nach seinem Besuch in Israel traf Blinken sich mit dem ägyptischen Präsidenten Abdel Fattah al-Sisi. Al-Sisi betonte, dass eine Waffenruhe in Gaza der Beginn einer breiteren Anerkennung eines Palästinenserstaats sein müsse, um langfristige Stabilität in der Region zu gewährleisten. Ein Bericht des US-Nachrichtenportals „Politico“ legt nahe, dass das Abkommen kurz davor steht, zu scheitern, ohne dass eine klare, direkte Alternative vorhanden ist.

Folgen eines Scheiterns der Verhandlungen

Ein Scheitern der Vermittlungsbemühungen könnte zu einer weiteren Eskalation in der Region führen. Nach der Tötung zweier hochrangiger Feinde Israels in Teheran und Beirut vor etwa drei Wochen hatten der Iran und die libanesische Schiitenmiliz Hisbollah massive Vergeltungsschläge angedroht. Diese Entwicklungen könnten die ohnehin angespannte Lage in Nahost weiter destabilisieren.

Die aktuelle Situation im Gazastreifen

Die israelische Armee gab bekannt, dass sie die Leichen von sechs Geiseln im Gazastreifen geborgen hat. Diese Männer waren zwischen 35 und 80 Jahren alt und wurden in einem Tunnel in Chan Junis im Süden des Gazastreifens gefunden. Angehörige der Geiseln äußerten schwere Vorwürfe gegenüber der Regierung, da ihre Liebsten nicht lebend aus der Geiselhaft gerettet wurden. Laut israelischer Zählung hält die Hamas derzeit noch 109 Geiseln in ihrer Gewalt, von denen 36 für tot erklärt wurden und 73 als noch am Leben gelten.

Fortdauernde Angriffe im Gazastreifen

Die Kämpfe im Gazastreifen gehen unvermindert weiter. Bei einem israelischen Angriff auf ein Schulgebäude in der Stadt Gaza wurden Berichten zufolge zehn Menschen getötet. Israel erklärte, das Ziel des Angriffs sei eine Kommandozentrale der Hamas gewesen, die sich auf dem Gelände befunden habe. Die Hamas hingegen berichtete von zahlreichen zivilen Opfern. In den letzten Tagen wurden bei heftigen Kämpfen im Süden des Gazastreifens nach Angaben der israelischen Militärs Dutzende militante palästinensische Kämpfer getötet.

Neue Raketenangriffe aus dem Libanon

Zusätzlich zu den Konflikten im Gazastreifen wurden aus dem Libanon erneut Dutzende Raketen auf den Norden Israels abgefeuert. Die mit dem Iran verbündete Hisbollah gab bekannt, dass sie eine intensive Raketen-Salve auf israelische Militärstellungen abgefeuert habe. Diese Angriffe zeigen, dass die Spannungen in der Region weiterhin hoch sind und die Möglichkeit einer breiteren militärischen Eskalation besteht.

In Anbetracht der aktuellen Entwicklungen bleibt abzuwarten, ob die diplomatischen Bemühungen um eine Waffenruhe und eine Deeskalation der Situation in Nahost erfolgreich sein werden.

Quellen: dpa, Zeit Online, Politico, Merkur, T-Online

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