19.10.2024
Jörg Fauser: Ein Blick auf das Leben und Werk des Schriftstellers

Jörg Fauser wäre am 16. Juli 80 geworden

Der 1987 tödlich verunglückte Frankfurter Schriftsteller Jörg Fauser wurde auf den Tag genau vor 80 Jahren geboren. Nun ist die Erinnerung an einen wieder da, der in vielen literarischen Gattungen Bemerkenswertes geschaffen hat.

Am frühen Morgen des 17. Juli 1987 läuft ein betrunkener Mann bei München über die Autobahn. Ein Lastwagen erfasst und tötet ihn. Das Opfer ist der aus Frankfurt stammende Schriftsteller Jörg Fauser. Zuvor hatte er im Schumann’s seinen Geburtstag gefeiert. Weshalb es ihn danach an den Stadtrand zog, weiß niemand. Vielleicht hatte er noch nicht genug das Leben aufgesogen in jener Nacht, in der ein zu kurzes Dasein endete, aber ein Mythos geboren wurde.

Dieser verblasst zwar immer wieder, doch vor seinem Verschwinden erinnert sich der literarische Betrieb in Deutschland jedes Mal rechtzeitig an einen Autor, den er zu Lebzeiten oft wie einen Hausierer an der Tür abgewimmelt hatte.

Fausers Schaffen neu entdecken

Jetzt, da Fauser am 16. Juli 80 Jahre alt geworden wäre, ist die Erinnerung an einen wieder da, der in vielen literarischen Gattungen Bemerkenswertes geschaffen hat, ohne auf eine Gattung festgelegt werden zu können. Fauser schrieb sowohl Romane als auch Krimis, Gedichte und Songtexte, von zahlreichen journalistischen Arbeiten ganz zu schweigen. Doch war er weder nur Romancier, Lyriker oder Reporter, stets aber Schreiber. Ein Schreiber, für den es immer um die Frage ging, wie man eigentlich schreiben will und was dieses Nachdenken über eine Antwort für das eigene Verständnis als Autor bedeutet.

Nach verdienstvollen Werkausgaben bei Rogner & Bernhard sowie im Alexander Verlag erscheint seit wenigen Jahren eine Neuedition von Fausers umfangreichem Schaffen bei Diogenes und damit endlich bei einem Publikumsverlag, wobei das Publikum wohl am ehesten zum Krimi „Der Schneemann“ oder zu Fausers autofiktionalem Meisterwerk „Rohstoff“ greifen dürfte, zwei Bände, in denen auch die Stadt Frankfurt eine Rolle spielt, ein Frankfurt allerdings, das nicht mehr zu finden ist, eine untergegangene Welt, wie es der Literaturwissenschaftler Sascha Seiler in seinem lesenswerten Essay „Bornheim Blues“ (Verlag Andreas Reiffer) konstatiert.

Mögen sich zwar Schauplätze, Jargon oder die Umstände geändert haben, ist doch die Literatur geblieben. Über deren Betrieb und Herausforderungen lässt sich etwa im Briefwechsel Fausers mit seinem Freund und Mentor Carl Weissner vieles erfahren, was auch heute noch Gültigkeit besitzt.

Über die Liebe zur Literatur und die damit gelegentlich verbundene Enttäuschung hat kaum ein anderer so hingebungsvoll geschrieben wie Fauser. Nachzuschlagen im Band „Der Klub, in dem wir alle spielen“. Das ist besser als jedes Literaturseminar, weshalb gilt: Fauser lesen.

Quelle: F.A.Z.

Am 16. Juli 1987 feiert Autor Jörg Fauser seinen 43. Geburtstag in Münchens Schickeria-Treff "Schumann's". Irgendwann verlässt er die Bar, wird morgens um vier Uhr auf einer Münchner Autobahn von einem Lastwagen erfasst und stirbt. Seine Romane, Gedichte, Reportagen und Erzählungen sind eine Ausnahmeerscheinung in der (west-)deutschen Literatur - von Mythen umrankt, von Geheimnissen umwölkt.

Um Leben und Werk des Autors dem Vergessen zu entreißen, startete der Diogenes Verlag 2019 eine Neu-Edition. Beendet wird die Werkschau zum 80. Geburtstag des Autors mit einer von Matthias Penzel und Ambros Waibel verfassten Biografie.

Es ist die komplett überarbeite Fassung der Biografie, die vor 20 Jahren erstmals erschien. Die Autoren sind noch einmal tief in die Archive gestiegen, haben unbekannte Dokumente gefunden, mit Fausers Freunden und Feinden, Weggefährten und Kollegen gesprochen, sein Leben und Werk noch einmal neu vermessen.

Fausers Werk ist geprägt von Studentenrebellion, Popmusik und Drogenkonsum. Sie zeigen, wie stark Fausers Werk geprägt ist von Studentenrebellion und Alternativ-Bewegung, Popmusik und Drogenkonsum, wie hilflos und oft ablehnend das kulturelle Establishment auf diesen anarchischen Freigeist reagierte, der in keine Schublade passte und sich jeder Festlegung entzog.

Fauser war ein großer Verehrer der knallharten Krimis von Chandler und Hammett und ein rigoroser Verwerter amerikanischer Underground-Literatur von Burroughs, Ginsberg, Kerouac, Bukowski: Fausers schnoddrige Sprache und zersplitterte Weltsicht, sein Außenseitertum, bei dem das eigene Leben zum Rohstoff seiner Literatur wurde, spiegelt sich in der Machart der Biografie von Penzel und Waibel, die Leben und Werk von Fauser selbst in ein Stück "Cut-up"-Literatur verwandeln, Fakten und Fiktionen, Werkzitate und Kritikerverrisse, Urteile und Vorurteile collagieren und den "Rebell im Cola-Hinterland" zu einer Romanfigur machen, die man nicht dingfest machen kann.

Zaungast und Beobachter statt Revoluzzer und Rebell

Zwar verraten die Autoren nicht, wie sie auf den Titel gekommen sind und was sie damit eigentlich sagen wollen. Aber Fauser-Fans wissen, dass Jürgen Ploog, mit dem Fauser einige literarische Abenteuer bestand und viele durchzechte Nächte erlebte, einen "Cut-up"-Roman mit dem Titel "Cola-Hinterland" veröffentlichte, eine Dystopie, die hinter die Glitzerfassaden des Konsumkapitalismus blickt und dort nur Manipulation, Normierung und Gleichschaltung findet.

Wenn die Biografen Fauser zum "Rebellen" stilisieren, der gegen die Schattenseiten des Kapitalismus angeschrieben hat und eine neue Gesellschaft erstreiten wollte, hätte der nur müde gelächelt. Fauser war kein Revoluzzer und kein Rebell, er war nur Zaungast und Beobachter, immer dabei, aber nie mittenmang. Ständig wechselte er seinen Wohnsitz, lebte in Frankfurt und Göttingen, Hannover, München, (West-)Berlin, London und Istanbul, immer auf der Suche nach neuen Erfahrungen, die er literarisch verwerten konnte.

Er schrieb um sein Leben und nagte meistens am Hungertuch, in der Frankfurter und (West-)Berliner Hausbesetzer-Szene der 1970er Jahre trieb er sich herum, aber nicht als politischer Rebell, sondern weil das Wohnen dort nichts kostete und weil er so besser an Anschauungsmaterial für seine Glossen, Essays und Erzählungen über hochfliegende Illusionen finden konnte.

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