Ab 2025 soll der Anspruch von Gefangenen auf eine Einzelzelle im deutschen Strafvollzug Realität werden. Doch wie sieht die Umsetzung dieses Anspruchs in der Praxis aus? Die Situation in Sachsen-Anhalt verdeutlicht die Herausforderungen, die mit dieser gesetzlichen Vorgabe verbunden sind. Wie die Deutsche Presse-Agentur (dpa) am 15. November 2024 berichtete, plant das Justizministerium des Landes zwar, den Anspruch zu gewährleisten, doch die praktische Umsetzung gestaltet sich schwierig. So ist beispielsweise ein neues Gefängnis in Halle geplant, für das aber noch nicht einmal der Grundstein gelegt wurde. Als Übergangslösung sollen Verlegungen zwischen den bestehenden Gefängnissen innerhalb Sachsen-Anhalts je nach Kapazitäten und Umständen erfolgen (Zeit Online, 15.11.2024).
Das Ministerium räumt ein, dass es trotz aller Bemühungen ab Jahresbeginn 2025 eine nicht unerhebliche Anzahl von Gefangenen geben wird, die nicht in Einzelzellen untergebracht werden können. Man betonte jedoch, alles zu tun, um die Vorgaben zu erfüllen. Gleichzeitig bleibt die Entwicklung der Gefangenenzahlen ungewiss.
Zum 31. Oktober 2024 waren in Sachsen-Anhalt 1.466 Personen im geschlossenen Vollzug untergebracht. Die meisten von ihnen lebten bereits in Einzelzellen. Es gibt jedoch Ausnahmen. Laut Justizministerium wünschen sich manche Häftlinge explizit eine gemeinsame Unterbringung. In anderen Fällen ist sie aus sozialen oder gesundheitlichen Gründen, beispielsweise bei Suizidgefährdung, geboten (Zeit Online, 15.11.2024).
Die Verteilung der Gefangenen auf die verschiedenen Hafträume in Sachsen-Anhalt – zwei Gefängnisse in Halle, eines in Volkstedt, die Jugendanstalt Raßnitz und das Gefängnis in Burg – variiert je nach aktueller Gesamtbelegung und den jeweiligen Bedarfen der Justizvollzugseinrichtungen. Eine tagesaktuelle Übersicht über die konkrete Haftraumbelegung existiert laut Ministerium nicht. An einem Stichtag im September 2024 war etwa jeder sechste Gefangene nicht einzeln untergebracht.
Die Linken-Fraktionsvorsitzende Sachsen-Anhalts, Eva von Angern, äußerte Zweifel an der vollständigen Umsetzung des Einzelzellenanspruchs. Sie befürchtet eine rechtswidrige Situation und kritisiert, dass das Problem seit über zehn Jahren bekannt sei, ohne dass eine Lösung gefunden wurde. Sie hält Klagen von Gefangenen für möglich, deren Rechtsanspruch nicht erfüllt wird (Zeit Online, 15.11.2024).
Mario Pinkert, Landesvorsitzender des Bundes der Strafvollzugsbediensteten, betonte die Bemühungen um Einzelbelegung, wo immer möglich. Gleichzeitig wies er auf die Notwendigkeit von Kapazitätsreserven für kurzfristige Neuaufnahmen hin. Aus seiner Sicht seien Mehrfachbelegungen in bestimmten Fällen geboten und erforderlich. Dabei werde darauf geachtet, dass die zusammen untergebrachten Gefangenen zueinander passen.
Der Anspruch auf eine Einzelzelle ist im Strafvollzugsgesetz verankert. Doch die Realität in den Justizvollzugsanstalten ist komplex. Überbelegung, Sicherheitsaspekte, soziale und gesundheitliche Erwägungen der Gefangenen spielen eine Rolle bei der Entscheidung über die Unterbringung. Die Rechtsprechung hat sich mit der Größe von Hafträumen und den Mindeststandards für eine menschenwürdige Unterbringung auseinandergesetzt (siehe ra-wurster.de). Die Diskussion um den Einzelzellenanspruch zeigt, dass die Balance zwischen den Rechten der Gefangenen, den Erfordernissen des Strafvollzugs und den zur Verfügung stehenden Ressourcen eine ständige Herausforderung darstellt.
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