19.10.2024
Erbschaftsteuerreform für mehr Gerechtigkeit und Effizienz

Erbschaftsteuer - So kann Erben gerechter werden

Knapp die Hälfte der Vermögen in Deutschland wird nicht durch harte Arbeit und unternehmerischen Erfolg erwirtschaftet, sondern durch Erbschaften weitergegeben. Diese Tatsache wirft Fragen zur sozialen Gerechtigkeit und zur Effizienz des Steuersystems auf. Das Bundesverfassungsgericht hat bereits festgestellt, dass das derzeitige Erbschaftssteuerrecht dem Gleichheitsgrundsatz widerspricht. Wie also lässt sich das Erbschaftsteuerrecht gerechter gestalten?

Die aktuelle Situation

Das derzeitige System der Erbschaftsteuer in Deutschland ist von zahlreichen Ausnahmen und Begünstigungen geprägt, die insbesondere für große Vermögen und Unternehmen gelten. Diese Schlupflöcher führen dazu, dass ein erheblicher Teil des vererbten Vermögens kaum oder gar nicht besteuert wird.

Laut einer Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) wurden in den letzten Jahren jährlich etwa 400 Milliarden Euro vererbt. Doch nur ein Bruchteil dieser Summe floss tatsächlich in die Staatskassen. Der Grund dafür sind umfangreiche Freibeträge und Steuerbefreiungen, die vor allem bei Betriebsvermögen greifen. Diese Regelungen sollen die Fortführung von Unternehmen sichern, doch Kritiker argumentieren, dass dadurch eine unfaire Vermögenskonzentration begünstigt wird.

Die Kritik am aktuellen System

Die Kritik am derzeitigen Erbschaftsteuerrecht ist vielfältig. Zum einen wird bemängelt, dass es den Gleichheitsgrundsatz verletzt. Große Vermögen und Unternehmen profitieren von großzügigen Steuerbefreiungen, während kleinere Erbschaften stärker belastet werden. Dies führt zu einer Ungleichbehandlung der Erben und verstärkt die Vermögensungleichheit in der Gesellschaft.

Zum anderen wird argumentiert, dass die derzeitigen Regelungen ineffizient sind. Durch die zahlreichen Ausnahmen und komplexen Bewertungsverfahren entstehen hohe Verwaltungskosten. Zudem wird kritisiert, dass das System zu Steuervermeidung und -hinterziehung anregt, da Wohlhabende und ihre Berater nach legalen und illegalen Wegen suchen, um die Steuerlast zu minimieren.

Reformvorschläge für eine gerechtere Erbschaftsteuer

Um das Erbschaftsteuerrecht gerechter und effizienter zu gestalten, wurden verschiedene Reformvorschläge diskutiert. Im Folgenden werden einige der zentralen Ideen vorgestellt:

1. Abschaffung von Ausnahmen und Begünstigungen

Ein zentraler Reformvorschlag besteht darin, die zahlreichen Ausnahmen und Begünstigungen im Erbschaftsteuerrecht abzuschaffen oder zumindest deutlich zu reduzieren. Insbesondere die großzügigen Steuerbefreiungen für Betriebsvermögen stehen in der Kritik. Stattdessen könnte ein einheitlicher Steuersatz eingeführt werden, der für alle Erbschaften gilt. Dadurch würde die Steuerlast gerechter verteilt und die Vermögenskonzentration verringert.

2. Einführung eines progressiven Steuertarifs

Ein weiterer Vorschlag ist die Einführung eines progressiven Steuertarifs, bei dem der Steuersatz mit der Höhe des vererbten Vermögens steigt. Dadurch würden große Erbschaften stärker belastet, während kleinere Erbschaften geringer besteuert werden. Ein solcher progressiver Tarif könnte dazu beitragen, die Vermögensungleichheit zu reduzieren und die soziale Gerechtigkeit zu fördern.

3. Erhöhung der Freibeträge für kleine Erbschaften

Um kleine Erbschaften zu entlasten, könnte der Freibetrag für Erbschaften deutlich erhöht werden. Derzeit liegt der Freibetrag für Kinder bei 400.000 Euro und für Ehepartner bei 500.000 Euro. Eine Erhöhung dieser Freibeträge würde sicherstellen, dass kleinere Erbschaften steuerfrei bleiben und nur große Vermögen besteuert werden. Dies könnte dazu beitragen, die Akzeptanz der Erbschaftsteuer in der Bevölkerung zu erhöhen.

4. Verbesserung der Bewertung von Vermögen

Ein weiterer wichtiger Reformansatz betrifft die Bewertung von Vermögen. Derzeit werden Immobilien, Unternehmen und andere Vermögenswerte oft zu niedrigen Werten angesetzt, was zu einer geringeren Steuerbelastung führt. Eine realitätsnähere Bewertung der Vermögenswerte könnte dazu beitragen, die Steuerbasis zu verbreitern und die Steuergerechtigkeit zu erhöhen.

5. Förderung von gemeinnützigen Zwecken

Ein zusätzlicher Reformvorschlag besteht darin, Erbschaften, die für gemeinnützige Zwecke verwendet werden, steuerlich zu begünstigen. Dadurch könnten Erben ermutigt werden, einen Teil ihres Vermögens für wohltätige Zwecke zu spenden, was wiederum der Gesellschaft zugutekommen würde. Solche steuerlichen Anreize könnten dazu beitragen, das Gemeinwohl zu fördern und gleichzeitig die Vermögensungleichheit zu verringern.

Internationale Beispiele für eine gerechtere Erbschaftsteuer

Ein Blick ins Ausland zeigt, dass es verschiedene Modelle für eine gerechtere Erbschaftsteuer gibt. In den USA beispielsweise gilt ein progressiver Steuertarif, bei dem große Erbschaften mit höheren Steuersätzen belastet werden. Auch in Frankreich gibt es einen progressiven Tarif, kombiniert mit hohen Freibeträgen für nahe Verwandte. Diese Modelle könnten als Vorbild für eine Reform des deutschen Erbschaftsteuerrechts dienen.

Fazit

Die Diskussion um die Erbschaftsteuer in Deutschland ist ein komplexes und emotional aufgeladenes Thema. Die derzeitigen Regelungen werden von vielen als ungerecht und ineffizient kritisiert. Eine Reform des Erbschaftsteuerrechts könnte dazu beitragen, die soziale Gerechtigkeit zu fördern und die Vermögensungleichheit zu verringern. Durch die Abschaffung von Ausnahmen und Begünstigungen, die Einführung eines progressiven Steuertarifs, die Erhöhung der Freibeträge für kleine Erbschaften, die Verbesserung der Bewertung von Vermögen und die Förderung von gemeinnützigen Zwecken könnte das Erbschaftsteuerrecht gerechter und effizienter gestaltet werden.

Ob und in welcher Form eine Reform umgesetzt wird, bleibt abzuwarten. Klar ist jedoch, dass eine gerechtere Erbschaftsteuer ein wichtiger Schritt hin zu mehr sozialer Gerechtigkeit und einem faireren Steuersystem wäre.

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