20.10.2024
Friedenspolitik als Knackpunkt der Koalitionsverhandlungen in Thüringen

Regierungsbildung: Nur noch eine Hürde vor Koalitionsverhandlungen in Thüringen

Sieben Wochen nach der Landtagswahl in Thüringen rückt die Möglichkeit von Koalitionsverhandlungen zwischen CDU, BSW und SPD näher. Wie die "Zeit" berichtet, haben die Thüringer Sozialdemokraten am Samstag, wie zuvor bereits die CDU, den Weg für eine sogenannte Brombeer-Koalition freigemacht. Im Anschluss an eine Vorstandssitzung in Erfurt erklärte SPD-Chef Georg Maier, dass über einen möglichen Koalitionsvertrag zunächst die Parteimitglieder befragt werden sollen.

Auch das BSW zeigt sich laut Aussagen der Landesvorsitzenden Katja Wolf bereit für Koalitionsverhandlungen. Voraussetzung dafür sei allerdings eine vorherige Einigung mit den beiden potenziellen Partnern über die bisher strittigen friedenspolitischen Forderungen der Wagenknecht-Partei.

Diese Forderungen sollen in die Präambel eines möglichen Koalitionsvertrags aufgenommen werden. In Erfurt hieß es, dass Gespräche dazu noch in der ersten Wochenhälfte geplant seien.

Voigt sieht Fortschritte bei Regierungsbildung

CDU-Chef Mario Voigt äußerte sich am Sonntag gegenüber der Deutschen Presse-Agentur in Erfurt optimistisch: „Es ist ein starkes Signal, dass sich mit der Zustimmung von CDU, BSW und SPD zu den Sondierungsergebnissen alle drei Partner auf den Weg zu einer Regierung machen“. Die drei Parteien würden sich hinter gemeinsamen Thüringer Projekten versammeln, die Veränderungen in der Politik und Verbesserungen für die Bürger bringen sollen. „Das ist ermutigend.“ Das sollte auch der Geist der Präambel sein, über die in dieser Woche gesprochen werde. „Dass darin auch Frieden eine Rolle spielt, war ja bereits verabredet“, sagte Voigt. Er sieht nach dem Wochenende Fortschritte bei der Regierungsbildung.

Auch SPD-Chef Maier zeigte sich zuversichtlich, dass auch in der Friedenspolitik ein Kompromiss gefunden werden kann. Er sei beauftragt, die Verhandlungen für die SPD zu führen. „Ich glaube an einen Kompromiss. Das wird nicht einfach werden. Aber wir müssen nach vorn schauen.“ Es habe bereits in den Sondierungsverhandlungen schwierige Momente gegeben, „wir haben aber immer wieder Lösungen gefunden“. Die Stationierung von US-Raketen, gegen die das BSW ist, sei nach dem Zwei-plus-vier-Vertrag in Thüringen ohnehin völkerrechtlich nicht möglich.

"Es geht um Thüringen, verdammt noch mal!"

Maier räumte ein, dass die BSW-Forderung überraschend gekommen sei, „weil wir etwas anderes verabredet hatten“. Laut Sondierungspapier, das von den drei Parteien als Grundlage für Koalitionsverhandlungen akzeptiert wird, war eine Passage zur Friedenspolitik in der Präambel eines Koalitionsvertrags geplant. Das strittige Thema sollte allerdings erst später verhandelt werden.

Er sehe in der Forderung des BSW-Vorstands aber keinen Affront, sagte Maier. „Man sollte das nicht höher hängen, als es ist.“ Kritik übte der SPD-Chef an BSW-Bundeschefin Sahra Wagenknecht. „Ich finde Äußerungen von außerhalb nicht zielführend. Es geht um Thüringen, verdammt noch mal!“ Maier sprach von Querschüssen aus Berlin. Dem Thüringer BSW mit seiner Landesvorsitzenden Katja Wolf bescheinigte er, zielführend und pragmatisch zu agieren.

BSW will in Thüringen mitregieren

BSW-Chefin Wolf äußerte sich ebenfalls kompromissbereit bei einer Verständigung mit CDU und SPD zu den friedenspolitischen Forderungen ihrer Partei. „Die Präambel ist wichtig – aber es geht nicht ohne Kompromisse. Es ist wie eine saure Zitrone, in die jeder von uns beißen und ungefähr denselben Schmerz empfinden wird“, sagte Wolf „Zeit online“.

Zum möglichen Inhalt des Passus sagte Wolf: „Die komplette Ablehnung von Waffenlieferungen würden CDU und SPD nicht mittragen können. Aber wir sprechen uns gegen die Stationierung von US-Mittelstreckenraketen auf Thüringer Boden aus.“

BSW-Landesvorsitzende: "Frau Wagenknecht weiß, wie ich ticke"

Die Landes- und Fraktionsvorsitzende des BSW machte erneut deutlich, dass ihre Partei in Thüringen mitregieren will. „Es gibt in Thüringen keine Alternative zu einer stabilen Landesregierung.“ Das sei auch der Bundesvorsitzenden Sahra Wagenknecht bewusst. „Frau Wagenknecht weiß, wie ich ticke.“ Sie sehe sich nicht als Antipode zu Wagenknecht, so Wolf.

Sie beide seien „einfach auf unterschiedlichen Spielfeldern unterwegs“ – Wagenknecht sei auf die Bundestagswahl fokussiert „und hat Sorge, dass wir durch unseren pragmatischen Thüringer Stil ihr Wahlkampfkonzept einer klaren Abgrenzung zu anderen Parteien kaputt machen. Aber diese Sorge ist unbegründet.“

Die Mehrheitsverhältnisse im Thüringer Landtag sind nach der Wahl Anfang September kompliziert. Das mögliche neue Regierungsbündnis, das die rot-rot-grüne Regierung von Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) ablösen will, hat keine Mehrheit im Landtag. Es verfügt über 44 von 88 Sitzen. Das Patt kann nur mit mindestens einer Stimme der Opposition aufgelöst werden. Stärkste Fraktion ist erstmals in einem Bundesland die AfD mit Rechtsaußen Björn Höcke an der Spitze.

Quelle: dpa-infocom GmbH

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