Die zunehmende Gewöhnung an Gewalt in der russischen Gesellschaft ist ein alarmierendes Phänomen, das in den letzten Jahren verstärkt diskutiert wird. Die Journalistin und Autorin Anna Narinskaya hat sich diesem Thema intensiv gewidmet und in verschiedenen Publikationen die Mechanismen und Konsequenzen dieser Entwicklung analysiert.
In einem Gastbeitrag für die Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) vom 7. Dezember 2024 schildert Narinskaya die erschreckende Situation von Frauen, die Opfer häuslicher Gewalt durch ihre aus dem Ukrainekrieg heimgekehrten Ehemänner werden. Wie die FAZ berichtet, rät ein Ratgeber diesen Frauen, ihren Männern mit besonderer Vorsicht zu begegnen, um Gewaltausbrüche zu vermeiden. Die zunehmende Brutalität wird auf die Traumata der Soldaten zurückgeführt. Die Lage wird zusätzlich dadurch verschärft, dass häusliche Gewalt in Russland seit 2017 entkriminalisiert wurde, wodurch den betroffenen Frauen jeglicher staatlicher Schutz fehlt.
Die Normalisierung von Gewalt beschränkt sich jedoch nicht auf den häuslichen Bereich. Narinskaya beschreibt in der FAZ und anderen Medien, wie Folter durch Sicherheitskräfte und Polizei in Russland zum Alltag gehört. Grausamkeit und Brutalität werden als normaler und notwendiger Bestandteil des Lebens betrachtet. Diese Akzeptanz von Gewalt wird durch verschiedene Faktoren gefördert, darunter die staatliche Propaganda, die Stärke und Härte glorifiziert, und die weitgehende Straflosigkeit der Täter.
Auch die Rolle der Medien bei der Verharmlosung und Normalisierung von Gewalt wird von Narinskaya kritisch beleuchtet. Sie verweist beispielsweise auf Filmkomödien, in denen Gewalt und Brutalität als humoristische Elemente eingesetzt werden und so dazu beitragen, dass Gewalt in der Gesellschaft als akzeptabel angesehen wird.
In einem Interview mit dem Standard äußert Narinskaya ihre Skepsis gegenüber einer baldigen Veränderung der politischen und gesellschaftlichen Verhältnisse in Russland. Die tief verwurzelten autokratischen und chauvinistischen Strukturen, die Gewalt begünstigen, seien nur schwer zu überwinden.
Auch in einem weiteren FAZ-Beitrag vom 2. Juli 2024 analysiert Narinskaya die Strategien der Kremlpropaganda, mit denen Kritiker und Oppositionelle gezielt diskreditiert und mundtot gemacht werden. Die Stigmatisierung als „ausländischer Agent“ ist dabei ein häufig genutztes Mittel zur Diffamierung und Behinderung ihrer Arbeit.
Die Normalisierung von Gewalt in Russland ist ein komplexes Problem mit weitreichenden Folgen für die Gesellschaft. Die Analysen von Anna Narinskaya bieten wertvolle Einblicke in die Mechanismen und Ursachen dieser Entwicklung und tragen dazu bei, das Bewusstsein für dieses dringende Thema zu stärken.