Der Internationale Strafgerichtshof (IStGH) hat Haftbefehle gegen Israels Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu, den ehemaligen Verteidigungsminister Yoav Gallant und den Hamas-Militärchef Mohammed Deif erlassen. Die Entscheidung des Gerichtshofs in Den Haag folgte einem Antrag des Chefanklägers Karim Khan vom Mai und wirft Fragen nach den Hintergründen, den Folgen und den Reaktionen auf. Wie die Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) berichtet, stehen Netanjahu und Gallant unter dem Verdacht von Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit seit dem 8. Oktober 2023 im Gazastreifen.
Kern der Anklage gegen Netanjahu und Gallant ist die Einschränkung der humanitären Versorgung der Bevölkerung im Gazastreifen nach dem Hamas-Angriff auf Israel am 7. Oktober 2023. Der IStGH sieht hinreichende Gründe für die Annahme, dass die israelische Regierung die Versorgung mit lebenswichtigen Gütern wie Nahrung, Wasser, Medikamenten, Treibstoff und Strom absichtlich und wissentlich unterbunden hat. Der Deutschlandfunk berichtet, dass das Gericht ausreichende Gründe für die Annahme sieht, dass Netanjahu und Gallant „absichtlich und wissentlich der Zivilbevölkerung im Gazastreifen wesentliche Dinge für ihr Überleben vorenthalten“ haben. Dies stellt laut IStGH einen Verstoß gegen das humanitäre Völkerrecht dar. Die Tagesschau berichtet von den Vorwürfen des „absichtlichen und wissentlichen Vorenthaltens wesentlicher Dinge für ihr Überleben einschließlich Nahrung, Wasser sowie Medikamente“. Gegen Mohammed Deif, den Militärchef der Hamas, wird ebenfalls wegen Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit ermittelt, insbesondere im Zusammenhang mit dem Angriff der Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023, bei dem über 1200 Menschen getötet und 250 als Geiseln genommen wurden. Wie LTO berichtet, wird Deif seit dem 7. Oktober gesucht und soll bei einem israelischen Bombenangriff getötet worden sein, was jedoch nie offiziell bestätigt wurde.
Der IStGH hat keine eigene Polizei und ist auf die Kooperation seiner 124 Mitgliedsstaaten angewiesen, um die Haftbefehle zu vollstrecken. Diese sind theoretisch verpflichtet, die Gesuchten festzunehmen, sobald sie sich in ihrem Staatsgebiet aufhalten. Dies könnte Reisen von Netanjahu und Gallant, insbesondere in EU-Länder, erheblich erschweren. Die USA sind kein Mitglied des IStGH und nicht zur Vollstreckung der Haftbefehle verpflichtet. Wie ZDFheute berichtet, könnten die Haftbefehle die Reisemöglichkeiten von Netanjahu und Gallant, insbesondere in die EU, einschränken. Der Bayerische Rundfunk (BR) zitiert die Kammer des IStGH, die die Anerkennung der Zuständigkeit des Gerichtshofs durch Israel als „nicht erforderlich“ bezeichnet, da der IStGH seine Zuständigkeit auf der Grundlage der territorialen Zuständigkeit Palästinas ausüben könne.
Die Reaktionen auf die Haftbefehle fielen erwartungsgemäß unterschiedlich aus. Netanjahu bezeichnete die Entscheidung als „antisemitisch“ und von „voreingenommenen Richtern“ getroffen. Die Hamas hingegen begrüßte die Haftbefehle als „historischen Schritt“. Der Deutschlandfunk berichtet von der Empörung Netanyahus, der den Chefankläger Khan als einen der „großen Antisemiten der Moderne“ bezeichnet hatte. Die Jüdische Allgemeine zitiert Netanjahu, der die Haftbefehle als "antisemitische Entscheidungen" bezeichnet, die von "voreingenommenen Richtern getrieben von antisemitischem Hass gegen Israel" getroffen worden seien.