Der australische Bildungsforscher John Hattie hat mit seiner Metastudie „Visible Learning – Lernen sichtbar machen“ internationale Anerkennung erlangt. Die Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) berichtet, dass Hattie den größten Mangel im Bildungswesen in mangelndem Mut und pädagogischer Ängstlichkeit sieht. Er fordert einen stärkeren Fokus auf die Lernprozesse der Schüler und kritisiert die oft vorherrschende Langeweile und Zurückhaltung im Unterricht. Bei seinen Vorträgen in Deutschland, zum Beispiel in Heilbronn und Berlin, beeindruckte er Schulleitungen und Bildungsministerinnen mit seinen pragmatischen und motivierenden Vorschlägen.
Für seine Studie „Visible Learning“ wertete Hattie über 800 Metaanalysen aus, die auf etwa 50.000 Einzelstudien mit ungefähr 250 Millionen Schülern basieren. Visible-learning.org erläutert, dass er verschiedene Faktoren, die den Lernerfolg beeinflussen, untersuchte und diese auf einer Skala von sehr positiven bis hin zu negativen Effekten anordnete. Der durchschnittliche Effekt aller Faktoren liegt laut Hattie bei 0,40. Daraus entwickelte er eine Rangliste der Einflussfaktoren, die sogenannte Hattie-Rangliste. Diese berücksichtigt unter anderem Faktoren wie die Lernenden selbst, das Elternhaus, die Schule, den Lehrplan, die Lehrkräfte und die Unterrichtsgestaltung.
Visible-learning.org hebt hervor, dass Hattie nicht nur eine Rangliste erstellte, sondern auch die den Daten zugrundeliegenden Sachverhalte detailliert beschrieb. Sein Fazit: Lernen ist besonders erfolgreich, wenn Lehr- und Lernprozesse transparent gemacht werden – daher der Titel „Visible Learning – Lernen sichtbar machen“. Diesen Ansatz vertiefte er in seinem Handbuch für Lehrkräfte „Visible Learning for Teachers“.
Wie der Wikipedia-Artikel zur Hattie-Studie erklärt, fand Hatties Arbeit im deutschsprachigen Raum große Beachtung und wurde in die Lehrerfortbildung integriert. Beispielsweise kündigte Mecklenburg-Vorpommerns Bildungsminister Mathias Brodkorb an, allen Lehrkräften des Bundeslandes eine Kurzfassung der Hattie-Studie mit dem Titel „Hattie für gestresste Lehrer“ zur Verfügung zu stellen. Auch führende deutsche Pädagogen der empirischen Bildungsforschung, wie Eckhard Klieme und Andreas Helmke, setzten sich mit der Studie auseinander.
Die Hattie-Studie blieb jedoch nicht ohne Kritik. Wikipedia nennt unter anderem die Kritik von Inez De Florio-Hansen, die bemängelt, dass Hattie sich auf messbare kognitive Faktoren konzentriert und nicht messbare affektive und soziale Aspekte vernachlässigt. Auch methodische und statistische Mängel wurden der Studie vorgeworfen. Trotz der Kritikpunkte wird Hatties Arbeit weiterhin in der Bildungsforschung diskutiert und als wichtiger Beitrag zur Unterrichtsforschung betrachtet. Lehrer-news.de berichtet, dass Hattie die entscheidende Bedeutung der Lehrkräfte und der Unterrichtsqualität für den Lernerfolg hervorhebt.
In einem Interview mit dem Tagblatt vergleicht Hattie die Lehrperson mit dem Dirigenten eines Orchesters, der den Ton angibt und das Tempo bestimmt. Er betont die Wichtigkeit von Feedback und die Notwendigkeit, verschiedene Lernmethoden zu beherrschen. Auch die Kooperation der Lehrkräfte untereinander hält er für essentiell für guten Unterricht.
Die Webseite bildung-mv.de fasst die Kernbotschaften von Hatties Arbeit zusammen und gibt Handlungsempfehlungen für die Praxis. Im Mittelpunkt stehen zehn Haltungen, die Lehrkräfte einnehmen sollten, um den Lernerfolg ihrer Schüler zu fördern. Dazu gehören beispielsweise das Reden über Lernen statt über Lehren, das Stellen von Herausforderungen, der Aufbau positiver Beziehungen und die Zusammenarbeit mit anderen Lehrkräften.
Quellen:
- https://www.faz.net/aktuell/karriere-hochschule/langeweile-im-unterricht-die-lust-am-lernen-wird-schuelern-schon-frueh-abgewoehnt-110123306.html
- https://visible-learning.org/de/hattie-rangliste-einflussgroessen-effekte-lernerfolg/
- https://de.wikipedia.org/wiki/Hattie-Studie
- https://www.lehrer-news.de/blog-posts/bildungsforscher-hattie-kritisiert-deutsches-schulsystem-ich-bin-bestuerzt-wie-viel-erfolg-verloren-geht
- https://www.tagblatt.ch/leben/was-ist-guter-unterricht-star-bildungsforscher-john-hattie-erklart-wie-kinder-am-besten-lernen-ld.1500651
- https://www.bildung-mv.de/lehrer/fort-und-weiterbildung/schule-zum-leben/hattie-fuer-gestresste-lehrer/
- https://www.lernensichtbarmachen.ch/hatties-studien/
- https://www.deutschlandfunk.de/schwerpunktthema-auf-den-lehrer-kommt-es-an-100.html