9.12.2024
Kohls Gnade der späten Geburt Kontroverse um Vergangenheitsbewältigung

Helmut Kohl und die "Gnade der späten Geburt": Eine umstrittene Aussage und ihre Folgen

Der Begriff "Gnade der späten Geburt", den Bundeskanzler Helmut Kohl in den 1980ern prägte, ent sparked a langanhaltende Diskussion in Deutschland über die Verantwortung der Nachkriegsgeneration für die nationalsozialistischen Verbrechen. Wie der Spiegel berichtete, verwendete Kohl die Formulierung erstmals 1983 im Kontext seines Israelbesuchs. Im Januar 1984, während einer Rede vor der Knesset in Israel, wiederholte er den Begriff. Die Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) analysierte in einem Artikel vom 09.12.2024, dass Kohls Wortwahl auf Kritik stieß und als Versuch interpretiert wurde, sich und seine Generation von der historischen Last zu befreien.

Kohl, der sich als "Vertreter eines 'neuen Deutschland'" und "erster Bundeskanzler aus der Nachkriegsgeneration" bezeichnete, strebte nach einem unbelasteteren Verhältnis zwischen Deutschen und Israelis. In seiner Knesset-Rede erklärte er, er könne nicht in Schuld geraten "wegen der Gnade der späten Geburt und dem Glück eines besonderen Elternhauses". Der Besuch fand, laut FAZ, unter angespannten Umständen statt, da deutsche Waffenlieferungen an Saudi-Arabien in Israel auf Ablehnung gestoßen waren.

Der Publizist Günter Gaus beanspruchte später die Urheberschaft des Ausspruchs, betonte jedoch einen anderen Kontext, nämlich die protestantische Rechtfertigungslehre. Wie Deutschlandradio Berlin in einem Kalenderblatt vom 24. Januar 2004 berichtete, kritisierte Gaus Kohls Verwendung des Begriffs als Vorwand für einen "Schlussstrich" unter die Vergangenheit. Kohl selbst präzisierte seine Aussage erst 1990 und erklärte, "Gnade" beziehe sich in diesem Zusammenhang lediglich auf den Zufall des Geburtsdatums.

Die Kritik an Kohls Formulierung entflammte nicht unmittelbar, sondern erst im Zusammenhang mit dem Historikerstreit und dem kontroversen Besuch des Soldatenfriedhofs Bitburg mit US-Präsident Ronald Reagan 1985, auf dem auch SS-Angehörige begraben sind. Der Spiegel berichtete, dass die "Gnade der späten Geburt" als Versuch gesehen wurde, sich einen "Ablass" zu erkaufen und die historische Verantwortung abzulehnen. Heinz Galinski, der damalige Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, mahnte, die "Gnade der späten Geburt" dürfe nicht "zum Fluch des frühen Rückfalls" werden.

Die Debatte um die "Gnade der späten Geburt" verdeutlicht die Komplexität der Auseinandersetzung mit der NS-Vergangenheit und der Frage nach der Verantwortung nachfolgender Generationen. Während Kohl den Begriff als Ausdruck eines neuen, unvoreingenommenen Umgangs mit der Geschichte verstand, sahen Kritiker darin die Gefahr der Verharmlosung und des Vergessens. Die Diskussion über Bedeutung und Kontext des Ausspruchs dauert bis heute an.

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