September 6, 2024
Kunst im urbanen Wandel

Im Spiegel der Hektik

Die Hanauer Landstraße in Frankfurt am Main ist ein Ort, der oft als laut, rau und hektisch beschrieben wird. Diese Verkehrsader, die das Ostend durchquert und an bedeutenden Orten wie dem Osthafen und der Europäischen Zentralbank vorbeiführt, ist gesäumt von Supermärkten, Autohäusern und Gewerbeflächen. Trotz ihrer zentralen Lage ist sie als Kulturmeile bislang weniger bekannt. Das kürzlich eröffnete Kunstfestival „Rush Hour“ hat sich zum Ziel gesetzt, die Kunstszene entlang dieser Straße sichtbar zu machen und die damit verbundenen kulturellen Kontexte zu beleuchten.

Unter der Schirmherrschaft von Frankfurts Kulturdezernentin Ina Hartwig und Planungsdezernent Marcus Gwechenberger wurden 30 Kunstschaffende eingeladen, sich mit den vielfältigen Hintergründen der Hanauer Landstraße auseinanderzusetzen. Bis zum 22. September finden an verschiedenen öffentlichen Orten und in Ausstellungsräumen Ausstellungen, Diskussionsrunden, Führungen, Lesungen sowie Musik- und Filmabende statt.

Ein Ort des Wandels

Christian Kaufmann, Geschäftsführer der Heussenstamm-Stiftung und Initiator des Projektes, erläutert, dass die Hanauer Landstraße ein Ausdruck des stetigen Wandels in der Stadt ist. Während in den letzten zwei Jahrzehnten zahlreiche Büroflächen entstanden sind, wird zunehmend auch Wohnraum geschaffen. Diese Veränderungen erfordern eine Auseinandersetzung mit der Frage, was Stadt sein kann oder sein sollte. Kunst und Stadtplanung sollen hierbei zusammenarbeiten, wobei die Kunst oft die Fragen aufwirft, während die Stadtplanung nach Lösungen sucht.

Die Eröffnung des Festivals fand an einem der letzten warmen Sommerabende statt. Auf dem Platz vor dem Bau- und Immobilienunternehmen Drees und Sommer, einem der Hauptsponsoren des Festivals, wurden die Gäste mit Sekt empfangen. Der karge Platz zwischen Glas und Beton ließ zunächst kaum erahnen, dass hier ein Kunstfestival stattfindet. Dennoch begann genau dort der Straßenspaziergang, zu dem Kaufmann die Besucher einlud.

Künstlerische Auseinandersetzungen

Ein wichtiger Bestandteil des Festivals sind die Ausstellungen, die in verschiedenen Galerien entlang der Hanauer Landstraße stattfinden. Im BBK, dem Berufsverband Bildender Künstlerinnen und Künstler in Frankfurt, sind Arbeiten von Ning Yang, Dorit Lecke und Vera Bourgeois zu sehen. Besonders auffällig ist die Installation von Ning Yang, ein schimmerndes Mobile aus feinen PVC-Oberflächen, das durch den Raum schwebt und mit jeder Lichtveränderung in Bewegung gerät. Diese Installation steht in starkem Kontrast zur hektischen Umgebung der Hanauer Landstraße.

Ein weiteres bemerkenswertes Kunstwerk stammt von Vera Bourgeois, das einen gedeckten Tisch präsentiert, der auf Gespräche wartet. Die orangefarbenen Stühle laden die Besucher ein, Platz zu nehmen und miteinander zu plaudern. Diese Interaktion zwischen Kunst und Publikum soll dazu beitragen, einen Raum für Dialog und Austausch zu schaffen.

Erinnerungskultur und Reflexion

Ein zentraler Punkt des Festivals ist auch die Auseinandersetzung mit der Vergangenheit. An einer Gedenkstätte der Frankfurter Großmarkthalle, einem Ort, der während des Nationalsozialismus für Massendeportationen genutzt wurde, wird die Arbeit von Ilana Salama Ortar präsentiert. Ihre Installation „Arc/Arch of Hope“ thematisiert Entwurzelung, Flucht und Vertreibung und schafft eine historische Metamorphose, die zum Nachdenken anregt.

Hinter einer Glaswand, die mit einem Zitat des Schriftstellers Alfons Paquet bedruckt ist, spannt sich ein Bogen aus blauen Glasflaschen, die symbolisch für Kriegsmaterial stehen. Diese Flaschen wurden während der Recherche der Künstlerin entdeckt und sind Teil einer Installation, die die komplexe Vergangenheit der Hanauer Landstraße reflektiert.

Kunst als Teil des Stadtmarketings

Das Kunstfestival „Rush Hour“ hat nicht nur kulturelle, sondern auch wirtschaftliche Relevanz. Eduard Singer, Leiter der Stabstelle Stadtmarketing, betont, dass die Hanauer Landstraße ein wichtiger Zugangspunkt für alle ist, die Frankfurt betreten oder verlassen. Das Festival soll Räume für Erlebnisse und Emotionen schaffen, die sowohl für die Bewohner als auch für die Besucher der Stadt von Bedeutung sind.

Insgesamt zeigt das Festival, wie Kunst und Kultur in einem urbanen Raum miteinander verwoben sind und welche Rolle sie bei der Auseinandersetzung mit städtischen Veränderungen und der eigenen Geschichte spielen können. Die Hanauer Landstraße wird somit nicht nur als Verkehrsader, sondern auch als lebendiger Ort der Begegnung und Reflexion wahrgenommen.

Fazit

Das Kunstfestival „Rush Hour“ ist ein eindrucksvolles Beispiel dafür, wie Kunst in urbanen Räumen wirken kann. Es bietet eine Plattform für Künstler und Besucher, um sich mit den Herausforderungen und Chancen, die eine sich ständig verändernde Stadt mit sich bringt, auseinanderzusetzen. Bis zum 22. September können Interessierte die verschiedenen Veranstaltungen und Ausstellungen entlang der Hanauer Landstraße besuchen und sich von der Kreativität und dem Engagement der Kunstschaffenden inspirieren lassen.

Quellen: F.A.Z., Kultur, Helene Röhnsch, „Rush Hour“ Festival

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