Der Bruch der Ampel-Koalition hat tiefe Gräben zwischen Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und dem ehemaligen Finanzminister Christian Lindner (FDP) hinterlassen. Wie die Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) berichtet, betonte Lindner am Donnerstag nach seiner Entlassung seinen Willen, bei der nächsten Bundestagswahl wieder anzutreten und erneut das Finanzministerium zu führen. Er sehe sich nur für eine „Übergangszeit“ als Oppositionspolitiker.
Lindner wirkte nach Angaben der FAZ bewegt, aber gefasst. Er räumte ein, sich in einer Ausnahmesituation zu befinden. Scholz hatte Lindner am Vorabend in einem Statement, das auch als Abrechnung gewertet wurde (Tagesspiegel), vorgeworfen, sein Vertrauen gebrochen zu haben. Lindner mahnte daraufhin „Stil in der Öffentlichkeit“ an, um die politische Kultur zu schützen.
Zur Frage nach dem Anteil der FDP am Regierungsbruch erklärte Lindner laut FAZ, er habe in den vergangenen Jahren möglicherweise nicht ausreichend auf die Klärung der Prioritäten der Koalitionspartner gedrängt, insbesondere nach dem Haushaltsurteil des Bundesverfassungsgerichts. Er wies den Vorwurf zurück, zu lange an der Regierung festgehalten zu haben. Zu Äußerungen anderer FDP-Politiker, wie beispielsweise Wolfgang Kubicki, sagte er lediglich, es habe viele Einlassungen gegeben, „die ich nicht gebraucht hätte“.
Lindner sieht die Verantwortung für die Eskalation bei Scholz. Er habe dem Kanzler bereits am Sonntag angeboten, gemeinsam Neuwahlen herbeizuführen, falls keine Einigung in der Wirtschaftspolitik erzielt werde. Scholz habe dies abgelehnt. Wie aus Lindners Umfeld verlautete, habe man in den darauffolgenden Tagen vergeblich versucht, die Position des Kanzlers zu ergründen (FAZ).
In den Gesprächen habe Lindner deutlich gemacht, dass er ein größeres Entgegenkommen der Koalitionspartner erwarte. Habecks Vorschlag, die Intel-Milliarden für den Haushalt freizugeben, sei von Lindners Ministerium lediglich als „folgerichtig“ bewertet worden, so die FAZ. Dies verdeutliche die unterschiedlichen Erwartungen.
Am Dienstag habe in der FDP-Fraktion noch eine kämpferische Stimmung geherrscht, wie Teilnehmer der F.A.Z. berichteten. Lindners Grundsatzpapier zu Haushalt und Wirtschaftswende sei ohne Gegenstimme angenommen worden. Es habe sowohl Szenarien für einen Verbleib in der Koalition als auch für einen Ausstieg gegeben. Lindner habe im Falle einer Einigung einen Sonderparteitag im Dezember geplant, um die Entscheidung mit einer Vertrauensfrage über seine Person abzusichern (FAZ).
Die Veröffentlichung von Lindners Grundsatzpapier habe die Dynamik der Ereignisse beschleunigt. Der Vorwurf der Koalitionspartner, er habe die Veröffentlichung mindestens in Kauf genommen, konnte von Lindners Seite nicht entkräftet werden (FAZ). Lindner selbst zeigte sich in einem Fernsehinterview „erleichtert“ über die öffentliche Diskussion seiner Vorschläge.
Scholz’ Vorschlag, die Haushaltsnotlage zu erklären, sei für Lindner ein „Trigger“ gewesen, da er sich bei diesem Thema bereits einmal von Scholz getäuscht gefühlt habe, was zu einer Niederlage vor dem Bundesverfassungsgericht geführt hatte (FAZ). Lindner sah den Ukrainekrieg als Vorwand für neue Schulden an. Scholz’ elfseitiges Papier zur Finanzierung einer „Agenda für Wirtschaftswachstum und Arbeitsplätze“ lehnte Lindner ab, sowohl aus rechtlichen Bedenken als auch aufgrund der aus seiner Sicht unzureichenden Maßnahmen (FAZ).
Die Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesfinanzministerium, Katja Hessel (FDP), erhob schwere Vorwürfe gegen Scholz und sprach von einem Erpressungsversuch, bei dem Lindner vor die Wahl gestellt worden sei, die Schuldenbremse zu akzeptieren oder seinen Posten zu verlieren (Schwäbische Zeitung). Scholz habe die Entlassung Lindners inszeniert, um ihm die Schuld für den Koalitionsbruch zuzuschieben.
Scholz selbst verteidigte seine Entscheidung. Wie der Tagesspiegel berichtet, warf er Lindner vor, das Land „anzuzünden“, indem er die Unterstützung der Ukraine gefährde. Er bekräftigte seine Entscheidung und erklärte, die Regierung werde ihre Arbeit fortsetzen.
Der SWR berichtete über die Reaktionen aus der Politik auf das Ampel-Aus. Während SPD und Grüne die Entscheidung von Scholz verteidigten und Lindner die Schuld gaben, zollte die FDP Lindner Respekt für seinen Widerstand gegen einen Haushaltsnotstand. Die CDU forderte eine neue, handlungsfähige Regierung.
Das Morgenmagazin der ARD analysierte den Schlagabtausch zwischen Scholz und Lindner und stellte die persönlichen Züge des Konflikts heraus. Der Merkur berichtete über weitere Details zum Ampel-Aus und Lindners Kampfansage für ein Comeback als Finanzminister. Auch internationale Reaktionen, wie die von Elon Musk, wurden thematisiert.
Quellen: