28.10.2024
Manipulationsvorwürfe Überschatten Parlamentswahl In Georgien

Immer deutlicher werden die Manipulationsvorwürfe im Zusammenhang mit der Parlamentswahl in Georgien, bei der die Regierungspartei „Georgischer Traum“ am vergangenen Samstag offiziell rund 54 Prozent der Stimmen erlangte. Wie die Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) berichtet, häufen sich die Hinweise auf Unregelmäßigkeiten, die Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Ergebnisses aufkommen lassen.

Besonders frappierend ist der Fall des aserbaidschanischen Parlamentsabgeordneten Arsu Naghijew, der sich in einem Wahllokal filmen ließ, während er die Wahl als „ziemlich ruhig“ und „ohne jede Verstöße“ bezeichnete. Später gratulierte der aserbaidschanische Machthaber Ilham Alijew, in dessen eigenem Land Wahlen bekanntermaßen nicht den demokratischen Standards entsprechen, dem „Georgischen Traum“ zum Wahlsieg. Auf dem Video aus dem Wahllokal ist im Hintergrund jedoch deutlich zu sehen, wie eine Wählerin ein Foto ihres ausgefüllten Wahlzettels mit ihrem Smartphone macht – ein eigentlich verbotener Vorgang.

Dieses Verhalten deutet auf ein System von Stimmenkauf und Einschüchterung hin, wie es auch von zahlreichen unabhängigen Wahlbeobachtern berichtet wird. Wähler sollen demnach dazu angehalten worden sein, ihre Stimme gegen Geld oder andere Vorteile an die Regierungspartei zu verkaufen. Die Fotos der Wahlzettel dienen dabei als Beweis für die Stimmabgabe und sollen sicherstellen, dass die Wähler ihre Versprechen einhalten.

Die Diskrepanz zwischen dem offiziellen Wahlergebnis und der seit Längerem schwindenden Popularität der Regierungspartei nährt den Verdacht der Manipulation. Laut FAZ lag die Zustimmung für die Partei des informellen Strippenziehers Bidsina Iwanischwili zuletzt bei etwa 35 Prozent.

Besonders aufschlussreich ist der Vergleich mit den Ergebnissen der Nachwahlbefragung des Unternehmens Edison, das in der Vergangenheit die Resultate des „Georgischen Traums“ recht präzise vorhergesagt hatte. Während die Differenz zwischen der Nachwahlbefragung und dem offiziellen Ergebnis bei den Wahlen 2018, 2020 und 2021 lediglich ein bis zwei Prozentpunkte betrug, lag sie bei dieser Wahl bei alarmierenden 13 Prozent.

Zusätzlich zu den Berichten über Stimmenkauf kursieren in Tiflis seit Montagnachmittag Listen mit auffälligen Zahlen aus verschiedenen Gemeinden, die auf massive Manipulationen hindeuten. So sollen im westgeorgischen Tsageri angeblich 133 Prozent der Wahlberechtigten ihre Stimme abgegeben haben, in Lentechi 129,5 Prozent und in Kasbegi 128,6 Prozent. In Ninotsminda, einer Gemeinde mit einem hohen Anteil an armenischer Bevölkerung, soll der „Georgische Traum“ sogar mehr Stimmen erhalten haben, als es Wahlberechtigte gibt.

Die Regierung weist die Manipulationsvorwürfe entschieden zurück und spricht von einem „großen Sieg“. Kritiker und Oppositionelle werden als „Desinformationsverbreiter“ diffamiert. Mehrere Nichtregierungsorganisationen sehen sich durch das kürzlich verabschiedete Gesetz über „ausländischen Einfluss“ bedroht, das nach dem Vorbild des russischen „Agentengesetzes“ die Zivilgesellschaft stark einschränkt.

Die Reaktionen der europäischen Staaten auf die Wahl fallen unterschiedlich aus. Während der ungarische Ministerpräsident Viktor Orbán dem „Georgischen Traum“ bereits vor der offiziellen Bekanntgabe des Ergebnisses zum „überwältigenden Sieg“ gratulierte, stellten sich andere EU-Staaten demonstrativ auf die Seite der Opposition und der georgischen Präsidentin Salome Surabischwili, die von einer „russischen Spezialoperation“ und „totaler Fälschung“ sprach.

Die Parlamentswahl in Georgien wirft somit viele Fragen auf und lässt Zweifel an der demokratischen Integrität des Landes aufkommen. Die kommenden Tage und Wochen werden zeigen, welche Konsequenzen die massiven Manipulationsvorwürfe für Georgien und seine Beziehungen zur Europäischen Union haben werden.

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