20.10.2024
MelonisMigrantenpolitikRechtlicheHürdenfürLagerinAlbanien

Zwischen der italienischen Regierung unter Ministerpräsidentin Giorgia Meloni und der Justiz bahnt sich ein Konflikt über den Umgang mit Migranten an. Ein Gericht in Rom verfügte am Freitag, dass zwölf Bootsmigranten aus einem italienischen Aufnahmelager im albanischen Shëngjin nach Italien gebracht werden müssen. Die Entscheidung sorgt für politische Spannungen.

Die sieben Männer aus Bangladesch und fünf aus Ägypten waren seit Mittwoch in dem exterritorialen Hotspot in Albanien untergebracht. Am Samstag trafen sie in der süditalienischen Hafenstadt Bari ein. Zuvor waren bereits zwei Minderjährige und zwei Kranke von der italienischen Küstenwache von Albanien nach Italien gebracht worden. Die Küstenwache hatte die 16 Bootsmigranten Anfang vergangener Woche in internationalen Gewässern vor Lampedusa aufgegriffen und nach Albanien gebracht.

Die Einrichtung des Aufnahmelagers in Shëngjin und eines Abschiebelagers im nahegelegenen Gjadër hatten Meloni und der albanische Regierungschef Edi Rama im November vereinbart. In den von Italien betriebenen und finanzierten Einrichtungen sollen erwachsene männliche Bootsmigranten aus sicheren Herkunftsländern untergebracht werden. Im Falle einer Ablehnung ihres Asylantrags sollen sie von dort direkt in ihre Heimatländer abgeschoben werden, ohne zuvor die EU betreten zu haben. Minderjährige, Frauen und vulnerable Migranten sollen hingegen nach Italien gebracht werden.

Meloni kritisierte die Entscheidung des Gerichts. Sie argumentiert, dass die Politik und nicht die Justiz darüber entscheiden sollte, welche Herkunftsländer als sicher gelten. Die sechs Richter unter dem Vorsitz von Luciana Sangiovanni hatten sich bei ihrer Entscheidung auf ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) vom 4. Oktober berufen. Demnach kann ein Herkunftsland nur dann als sicher gelten, wenn dies für das gesamte Territorium zutrifft. Ägypten und Bangladesch wurden von den Richtern nicht als sichere Herkunftsländer eingestuft. Über das weitere Vorgehen im Fall der 16 Bootsmigranten soll nun in Italien entschieden werden.

Meloni berief für Montag eine Dringlichkeitssitzung ihres Kabinetts ein. Geplant ist die Verabschiedung eines Dekrets, wonach die Einstufung sicherer Herkunftsländer durch die Regierung nicht mehr von der Justiz überprüft werden soll. Die Regierung will außerdem Rechtsmittel gegen das Urteil einlegen, um eine höchstrichterliche Entscheidung zu erreichen. Die italienische Regierung hatte die Liste der als sicher geltenden Herkunftsländer kürzlich von 15 auf 21 aufgestockt. Neben Ägypten und Bangladesch gelten nun auch Länder wie die Elfenbeinküste und Tunesien als sichere Herkunftsländer. Die Urteile des EuGH und des Gerichts in Rom könnten Melonis Plan, Bootsmigranten ohne Aussicht auf Asyl in der EU von Albanien aus in ihre Heimatländer zurückzuführen, die rechtliche Grundlage entziehen.

Die Kosten für Bau und Betrieb der italienischen Lager in Albanien mit einer Kapazität von 36.000 Migranten jährlich beziffert die Regierung auf rund 670 Millionen Euro bis 2029. Italien hat bis zum 18. Oktober gut 55.000 Ankünfte von Migranten registriert, im Vorjahreszeitraum waren es noch rund 141.000. Meloni hatte im Wahlkampf eine deutliche Reduzierung der illegalen Einreisen versprochen. Der Rückgang der Zahl der Bootsmigranten in diesem Jahr ist vor allem auf Abkommen Italiens und der EU mit Tunesien und Libyen zurückzuführen, wo die Behörden viele Migranten von der Überfahrt abhalten.

Die Entscheidung des Gerichts in Rom sorgt auch in Italien für Diskussionen. Justizminister Carlo Nordio kritisierte, dass sich die Richter in die Kompetenzen der Regierung einmischen würden. Es sei nicht Aufgabe der Justiz, die Entscheidung einer Regierung zu korrigieren, „die den Willen des Volkes zum Ausdruck bringt“. Die Oppositionsführerin Elly Schlein von den Sozialdemokraten warnte hingegen vor einem „sehr ernsten Konflikt zwischen den Institutionen“. Sie bezeichnete das Abkommen mit Albanien als „illegal“ und „völkerrechtswidrig“.

Quelle: F.A.Z. (https://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/migrantenlager-in-albanien-melonis-regierung-streitet-mit-der-justiz-110058899.html)

Weitere Quellen:

- https://www.spiegel.de/ausland/italien-giorgia-meloni-will-plaene-fuer-fluechtlingslager-in-albanien-durchziehen-a-c51b7296-911d-4136-ba02-dd8f9ab26a99 - https://www.nzz.ch/international/lager-in-albanien-meloni-laesst-sich-von-gerichtsurteil-nicht-beirren-ld.1853642 - https://www.tagesschau.de/ausland/europa/gericht-migranten-albanien-100.html - https://www.stern.de/politik/ausland/mittelmeer-fluechtlinge--meloni-will-plaene-fuer-albanien-lager-durchziehen-35156680.html - https://www.finanztreff.de/nachrichten/2024-10-20-meloni-will-plaene-fuer-migrantenlager-in-albanien-durchziehen-577566
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