Die Altkanzlerin Angela Merkel hat in einem Interview mit dem Spiegel die Reaktion von Bundeskanzler Olaf Scholz auf das Ende der Ampel-Koalition kritisiert. Wie die FAZ berichtet, bezeichnete Merkel Scholz' Auftritt als „kein Paradebeispiel für Würde“. „Der Bundeskanzler führt das Verfassungsorgan Bundesregierung an. Sein Amt hat eine Würde, und die sollte einen stets leiten“, so Merkel gegenüber dem Spiegel. Merkel räumte ein, dass auch sie in ihrer Amtszeit „harte Bandagen“ erlebt habe. Es sei jedoch wichtig, in Krisensituationen professionell zu reagieren. „Man verspürt eine Menge Emotionen, aber besser ist, man schreit die Wand in seinem Büro an als die deutsche Öffentlichkeit“, sagte Merkel laut FAZ. As reported by dpa, äußerte Merkel Besorgnis über die Wirkung von Scholz' Auftritt auf die Bevölkerung: „Manche dachten: Wenn unser Bundeskanzler so außer Rand und Band ist – ogottogott – wie schlecht steht es dann um unser Land?“
Im Spiegel-Interview verteidigte Merkel ihre eigene Migrationspolitik und das Offenhalten der Grenzen 2015. Sie habe damals das Gefühl gehabt, dass sie sonst die Glaubwürdigkeit Deutschlands in Bezug auf europäische Werte und Menschenwürde aufs Spiel gesetzt hätte. Die Vorstellung, Wasserwerfer an der deutschen Grenze einzusetzen, sei für sie „furchtbar“ gewesen, so Merkel laut FAZ. Die Forderung der CDU, Asylbewerber an der Grenze zurückzuweisen, hält Merkel weiterhin für falsch. Es sei eine Illusion zu glauben, dass dadurch alle Probleme gelöst würden. Sollte die EU das Problem der illegalen Migration nicht in den Griff bekommen, fürchtet Merkel laut FAZ eine „Rückabwicklung der europäischen Integration“ mit unabsehbaren Folgen.
Wie der Merkur berichtet, kritisierte Merkel Scholz' Äußerungen über den ehemaligen Finanzminister Christian Lindner (FDP) als unangemessen. Merkel sagte dem Spiegel, dass sie die FDP „nie als einfachen Koalitionspartner erlebt“ habe. Sie halte es für möglich, dass ein Jamaika-Bündnis, wie sie es 2017 anstrebte, hätte funktionieren können. Die Frage habe sich jedoch nicht gestellt, da Lindner damals nicht wollte, so Merkel laut FAZ.
Wie n-tv berichtet, verteidigte Merkel im Spiegel-Interview auch ihre Entscheidung, Nord Stream 2 trotz der russischen Krim-Annexion 2014 nicht zu stoppen. Es habe wirtschaftliche und politische Gründe dafür gegeben. Merkel sagte, sie habe es als eine ihrer Aufgaben angesehen, für die deutsche Wirtschaft billiges Gas zu bekommen. Für einen Abbruch des Gashandels mit Russland hätte sie keine politischen Mehrheiten gehabt, so Merkel gegenüber dem Spiegel.
Quellen:
- FAZ.NET: https://www.faz.net/aktuell/politik/inland/altkanzlerin-im-interview-merkel-kritsiert-scholz-rede-zum-ampel-aus-110127394.html
- Merkur.de: https://www.merkur.de/politik/merkel-scholz-ampel-aus-kritik-lindner-kanzler-cdu-spd-bundestagswahl-93426952.html
- dpa: https://www.faz.net/agenturmeldungen/dpa/merkel-kritisiert-scholz-auftritt-bei-rauswurf-von-lindner-110127573.html
- RP Online: https://rp-online.de/politik/deutschland/merkel-haelt-ampel-wutrede-von-scholz-fuer-wuerdelos_aid-121379983
- n-tv: https://www.n-tv.de/politik/Merkel-zu-Scholz-Streit-mit-Lindner-Maenner--article25380209.html
- Kölner Stadt-Anzeiger: https://www.ksta.de/politik/angela-merkel-kontert-kritiker-und-laesst-spielraum-bei-worten-ueber-merz-903953
- Spiegel: https://www.spiegel.de/politik/deutschland/memoiren-von-angela-merkel-so-denkt-die-ex-kanzlerin-ueber-olaf-scholz-friedrich-merz-donald-trump-wladimir-putin-a-ecfb16e9-1ab9-452a-99e7-d5efa712caa6