Niederbayerische Handwerkskunst lässt Notre-Dames Glocken wieder erklingen
Nach dem verheerenden Brand im April 2019 schweigen die Glocken von Notre-Dame nicht mehr. Wie die Süddeutsche Zeitung (SZ) berichtet, ist dies zum Teil dem Rottaler Hammerwerk in Anzenkirchen, Niederbayern, zu verdanken. Der Familienbetrieb, der seit 1863 besteht, fertigte mehrere Klöppel für die berühmten Glocken an.
In einem Interview mit der SZ erläuterte Geschäftsführer Martin Wensauer die Bedeutung dieses Auftrags und die Besonderheiten seines Handwerks. Das Rottaler Hammerwerk hatte bereits 2013, zum 850-jährigen Jubiläum von Notre-Dame, Klöppel für die damals neu gegossenen Glocken geliefert. "Es wurde Wert darauf gelegt, dass die Glocken selbst 'Made in France' sind", so Wensauer gegenüber der SZ. Die Empfehlung eines Schweizer Glockengießers führte zum Auftrag für das niederbayerische Unternehmen. Nach dem Brand 2019 waren neue Klöppel notwendig, da die Aufhängung der Glocken verändert und die Gewichtsverteilung neu berechnet werden musste.
Wensauer erklärte, dass die Glocken und die ursprünglichen Klöppel den Brand überstanden hätten, die veränderte Statik jedoch neue Klöppel erforderlich machte. Für die Emmanuel, die größte und älteste Glocke, hatte das Hammerwerk bereits 2018 einen Klöppel geschmiedet.
Nach dem Zweiten Weltkrieg spezialisierte sich das Rottaler Hammerwerk auf die Herstellung von Glockenklöppeln. Gegenüber der SZ erläuterte Wensauer, dass die Schmiede früher Werkzeuge für die Land- und Forstwirtschaft produzierte, sich aber aufgrund der internationalen Konkurrenz auf Klöppel spezialisiert habe. Heute stellt das Unternehmen rund 1500 Klöppel pro Jahr her.
Obwohl sich die Werkzeuge modernisiert haben, ist der Schmiedevorgang im Wesentlichen unverändert. "Im Prinzip ist das Schmieden wie anno dazumal", erklärte Wensauer der SZ. Die Spezialisierung erlaube jedoch eine effizientere Produktion als bei Industrieschmieden, für die Klöppel meist nur ein Nischenprodukt darstellen.
Für Wensauer liegt die Faszination seines Berufs in der Entstehung eines individuellen Werkstücks aus einem Stück Stahl, geformt durch Muskelkraft und Schmiedehammer. Besonders stolz ist er darauf, für jahrhundertealte Glocken neue Komponenten fertigen zu dürfen.
Das erneute Erklingen der Glocken und die Wiedereröffnung von Notre-Dame bezeichnete Wensauer als "Gänsehautmoment". Er betonte gegenüber der SZ, dass die Herstellung der Klöppel für Notre-Dame keine außergewöhnlichen Herausforderungen darstellte. Jeder der 1500 jährlich produzierten Klöppel werde individuell an die jeweilige Glocke und die örtlichen Gegebenheiten angepasst.
Im SZ-Interview sprach Wensauer auch über die unterschiedlichen Läutekulturen und Glockentypen in verschiedenen Ländern. In den USA beispielsweise sei die Läutekultur weniger ausgeprägt. In Deutschland, Österreich und der Schweiz hingegen gebe es eine große Glockenvielfalt. In Österreich werde traditionell in höheren Tonlagen geläutet als in Deutschland, was unterschiedliche Anforderungen an die Klöppel stellt.
Die Glockenklöppel aus Niederbayern tragen dazu bei, dass die Glocken von Notre-Dame wieder erklingen und ein Stück Geschichte wieder lebendig wird.
Quellen:
- Süddeutsche Zeitung: https://www.sueddeutsche.de/bayern/notre-dame-glocken-kloeppel-niederbayern-brand-interview-handwerk-lux.ECLZ4vNLMQjtGDRZnBJHep
- Süddeutsche Zeitung: https://www.sueddeutsche.de/thema/Bayern