Neulich im „Marmalade Cafe“ in Malibu: Am Nebentisch stochert eine Mittzwanzigerin in einer gegrillten Artischocke herum. Ihre Begleiterin, eine Filmstudentin der University of Southern California im benachbarten Los Angeles, versucht sich während der Unterhaltung über asiatisches Kino und Hollywoods Darstellung von Afroamerikanern an einer Tomaten-Bisque. „Ich habe keinen Appetit“, sagt die Studentin nach einigen Minuten, bevor auch ihre Freundin die Gabel beiseitelegt, ein Mineralwasser bestellt und sich outet. „Ich setze mir seit ein paar Wochen die Abnehmspritze und bekomme kaum etwas runter“, gibt sie zu. Die Filmstudentin lässt den Löffel sinken. Nach Diäten, Fastenkuren und täglichen Besuchen im Fitnessstudio, sagt sie, probiere auch sie sich gerade an Injektionen. „Zwei Kilogramm in sechs Wochen“, verkündet sie das Etappenziel. „Wenn Kelly Clarkson es schafft, schaffe ich es auch.“
Die „Abnehmspritze“, von der hier die Rede ist, ist wahrscheinlich Ozempic, ein Medikament, das eigentlich für die Behandlung von Diabetes Typ 2 entwickelt wurde. Doch in Hollywood hat sich das Medikament inzwischen zum neuen Wundermittel zum Abnehmen entwickelt. Wie die F.A.Z. berichtet, gehört die Injektion bei vielen Prominenten bereits zum wöchentlichen Beautyritual.
Die Liste der Stars, die mit Ozempic angeblich extrem viel Gewicht verloren haben, ist lang. Darunter sind Namen wie Kathy Bates, Rebel Wilson und Sharon Osbourne. Auch Sängerin Kelly Clarkson, die in der Vergangenheit immer wieder mit Gewichtsproblemen zu kämpfen hatte, zeigt sich seit einiger Zeit deutlich schlanker. In einem Interview betonte sie zwar, nicht Ozempic zu nehmen, sondern ein anderes Mittel. Dennoch ist ihr Gewichtsverlust verdächtig.
Talkstar Oprah Winfrey hingegen steht offen zu ihrer Nutzung der Abnehmspritze. In einem Interview mit dem Magazin "People" gab sie zu, Ozempic als Hilfsmittel zu verwenden, um starke Gewichtsschwankungen zu verhindern. Sie betonte jedoch auch, dass sie ihren Lebensstil geändert und auf eine gesündere Ernährung und mehr Bewegung achtet.
Für etwa 1500 Dollar im Monat versprechen die Ozempic-Spritzen bis zu 15 Prozent Gewichtsverlust. Doch der Erfolg hat seinen Preis. Neben Übelkeit und Erbrechen gehören auch Verstopfung, Durchfall und in seltenen Fällen sogar eine Bauchspeicheldrüsenentzündung zu den möglichen Nebenwirkungen. Zudem warnt die US-Arzneimittelbehörde FDA vor einem erhöhten Risiko für Schilddrüsenkrebs.
Der Ozempic-Trend zeigt, wie groß der Druck in Hollywood ist, einem bestimmten Schönheitsideal zu entsprechen. Während Stars wie Lizzo ihr Übergewicht in der Vergangenheit als Zeichen von Body-Positivity feierten, scheinen sie nun dem Druck nachzugeben und auf medikamentöse Hilfe zurückzugreifen.
Die Komikerin und Schauspielerin Amy Schumer hingegen sprach offen über ihre negativen Erfahrungen mit Ozempic. Die Nebenwirkungen seien so stark gewesen, dass sie das Medikament wieder absetzen musste. Auch Model Lottie Moss berichtete von einem Krampfanfall nach einer zu hohen Dosis Ozempic, der sie ins Krankenhaus brachte.
Neben den körperlichen Nebenwirkungen hat der Ozempic-Trend auch eine ästhetische Schattenseite. Immer mehr Stars fallen durch das sogenannte "Ozempic Face" auf - ein Hagerlook mit eingefallenen Wangen, schlaffer Haut und Augenringen. Dieser Trend hat bereits die nächste Geschäftsidee in der Beautyindustrie hervorgebracht: Filler, die den durch die Abnehmspritzen gealterten Gesichtern wieder Frische und Jugendlichkeit verleihen sollen.
Der Ozempic-Hype wirft die Frage auf, wie weit Menschen bereit sind zu gehen, um einem unrealistischen Schönheitsideal zu entsprechen. Die Risiken und Nebenwirkungen der Abnehmspritze scheinen dabei oft in den Hintergrund zu geraten.
Quelle: F.A.Z.
