October 5, 2024
Tischlermeister im Alter: Ein Beispiel für Lebensfreude und Handwerkskunst

Arbeiten im Alter: Mit 98 Jahren noch Tischlermeister - 115 Stufen hoch zum Auftrag

Heinrich Benecke aus Ellringen im Landkreis Lüneburg ist ein beeindruckendes Beispiel für Lebensfreude und Arbeitsmoral im hohen Alter. Mit seinen 98 Jahren arbeitet er immer noch als Tischler, wie die dpa berichtet.

Seit unglaublichen 84 Jahren übt er diesen Beruf aus und denkt noch lange nicht ans Aufhören. "Ich sehe das so: Wenn ich Freizeit habe, ist es sinnvoll, wenn ich etwas Vernünftiges mache", erklärte der rüstige Senior bei seiner Arbeit im Kirchturm der St. Johanniskirche im benachbarten Dahlenburg.

Dort arbeitet er täglich an der Seite seines Sohnes Andreas, bei dem er angestellt ist. Gemeinsam restaurieren sie die Schallluken des denkmalgeschützten Gotteshauses.

Die 115 Stufen zum Arbeitsort im Kirchturm nimmt Heinrich Benecke zwar nur noch einmal am Tag in Angriff, doch von Ruhestand kann trotzdem keine Rede sein. Während sein Sohn und der Praktikant Mark die schwereren Arbeiten und den Transport der Materialien übernehmen, unterstützt der 98-Jährige mit seiner Erfahrung und seinem handwerklichen Geschick, wo er kann.

Praktikant Mark, der mit seinen 16 Jahren gerade erst in die Berufswelt hineinschnuppert, ist beeindruckt von der Fitness und dem Einsatz des Seniors. "Das ist schon ungewöhnlich, so alt und noch so fit", so der Zehntklässler gegenüber der dpa.

Heinrich Benecke wurde im Alter von 14 Jahren, also zwei Jahre jünger als sein heutiger Praktikant, in die Lehre geschickt. Nach dem frühen Tod seines Vaters und dem zwischenzeitlichen Stillstand des 1888 gegründeten Traditionsbetriebes, erweckte er diesen nach seiner Ausbildung zum Meister wieder zum Leben. Zuvor musste er jedoch mit 17 Jahren in den Zweiten Weltkrieg ziehen und verbrachte mehrere Jahre in russischer Gefangenschaft.

Trotz seiner bemerkenswerten Fitness muss Heinrich Benecke heute eingestehen, dass er "die ganz schweren Arbeiten nicht mehr" erledigen kann. Die Restaurierung der schweren, verrotteten Schallluken, die etwa 1,60 mal 3 Meter messen, erfordert viel Kraft. Allein das Lösen der festgerosteten Schrauben aus den Holzluken im luftigen Kirchturm ist eine Herausforderung.

Die Restaurierung der Schallluken ist eine komplexe Aufgabe, bei der die alten, morschen Holzluken Stück für Stück entfernt und durch neue ersetzt werden müssen. Die neuen Bretter werden in der Werkstatt in Ellringen zugeschnitten und anschließend vor Ort angepasst. Da es im Kirchturm kein Gerüst gibt, müssen die Experten mühsam um die drei Kirchenglocken herumarbeiten. Zur vollen Stunde heißt es dann: Gehörschutz aufsetzen, denn die Glocken läuten lautstark. Bis Ende 2025 sollen alle acht Dachluken des Kirchturms restauriert sein.

Heinrich Benecke ist jeden Tag im Einsatz und legt laut Aussage seines Sohnes höchstens drei Krankheitstage im Jahr ein. Obwohl ihm manchmal die Knochen weh tun, hat er "im Großen und Ganzen Glück gehabt mit der Gesundheit", wie er erzählt. "Vielleicht sind das die Gene."

Die Zusammenarbeit mit seinem Vater beschreibt der Sohn als "manchmal schon schwierig", vor allem, "wenn er sagt, früher haben wir das anders gemacht." Dennoch überwiegt der Stolz und die Freude über die gemeinsame Arbeit.

Die Familie Benecke lebt in mehreren Generationen zusammen auf dem Hof in Ellringen. Jeden Morgen um kurz nach sechs Uhr trifft man sich am Frühstückstisch des Großvaters. "Ich koche den Kaffee", erzählt Heinrich Benecke, dessen Frau vor drei Jahren verstorben ist. "Bei uns ist Leben in der Bude." Im Dezember wird er 99 Jahre alt, doch ein großes Fest soll es erst ein Jahr später geben.

Quelle: https://www.zeit.de/news/2024-10/05/mit-98-noch-tischlermeister-115-stufen-hoch-zum-auftrag

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