Die Bewertung des Papsttums von Pius XII. (1939-1958) ist bis heute komplex und kontrovers. Sein Pontifikat fiel in die Zeit des Zweiten Weltkriegs und des beginnenden Kalten Krieges, was seine Entscheidungen und Handlungen in einen besonders schwierigen historischen Kontext einordnet. Wie die Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) in einem Artikel darstellt, konzentriert sich die Diskussion insbesondere auf sein Schweigen zum Holocaust und seine Haltung zum Nationalsozialismus.
Eugenio Pacelli, der spätere Pius XII., war vor seiner Papstwahl ein erfahrener Diplomat im Vatikan. Diese Erfahrung prägte seinen Führungsstil und seinen Umgang mit den politischen Herausforderungen seiner Zeit. Er bevorzugte stille Diplomatie und arbeitete im Hintergrund, um Leid zu mindern und Menschen zu helfen. So organisierte der Vatikan beispielsweise Hilfsaktionen für Flüchtlinge und Verfolgte. Gleichzeitig vermied er öffentliche Verurteilungen des NS-Regimes, was ihm den Vorwurf der Passivität und des stillschweigenden Billigens der Verbrechen eintrug.
Die Gründe für sein Schweigen sind weiterhin umstritten. Einige Historiker argumentieren, eine öffentliche Verurteilung des Nationalsozialismus hätte die Lage der Juden und anderer Verfolgter weiter verschlechtert. Sie verweisen auf die Verfolgung der katholischen Kirche in den von Deutschland besetzten Gebieten und die Angst vor Repressalien gegen Gläubige im Falle einer offenen Konfrontation. Andere Historiker kritisieren diese Argumentation und sehen in Pius XII. einen Papst, der seine moralische Pflicht zur klaren Stellungnahme gegen das Unrecht vernachlässigt hat. Die Öffnung der vatikanischen Archive in den letzten Jahren hat neue Forschungsmöglichkeiten geschaffen und zu einer differenzierteren Betrachtung seines Pontifikats geführt. Die Auswertung der umfangreichen Dokumente ist jedoch noch nicht abgeschlossen, und die Debatte über die Rolle von Pius XII. im Zweiten Weltkrieg hält an.
Neben der Kontroverse um sein Verhalten während des Krieges prägten auch andere Themen sein Papstum. So positionierte sich Pius XII. entschieden gegen den Kommunismus und sah in der Sowjetunion eine Gefahr für die katholische Kirche. Er förderte die Marienverehrung und verkündete 1950 das Dogma von der leiblichen Aufnahme Mariens in den Himmel. Innerhalb der Kirche stärkte er die Zentralgewalt des Papstes und verfolgte eine konservative theologische Ausrichtung.
Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass das Pontifikat von Pius XII. ein komplexes und widersprüchliches Kapitel der Kirchengeschichte darstellt. Seine Handlungen und Entscheidungen im Kontext des Zweiten Weltkriegs sind weiterhin Gegenstand intensiver Forschung und Diskussion. Die Öffnung der vatikanischen Archive bietet die Möglichkeit, das historische Bild von Pius XII. zu vervollständigen und seine Rolle im 20. Jahrhundert umfassender zu beleuchten.
Quellen:
Frankfurter Allgemeine Zeitung: Was für eine Art Papst war Pius XII.? (https://www.faz.net/aktuell/feuilleton/bilder-und-zeiten/was-fuer-eine-art-papst-war-pius-xii-110186765.html)