Das Auktionshaus Dorotheum in Wien, im Volksmund auch liebevoll „Pfandl“ genannt, hat schon viele ungewöhnliche Objekte versteigert – von historischen Kunstwerken bis hin zu kuriosen Gegenständen aus vergangenen Zeiten. Auch Autos gehören regelmäßig zum Sortiment, wie beispielsweise ein seltener Jaguar aus dem Jahr 1938, der demnächst unter den Hammer kommen soll. Anfang Oktober kam jedoch ein Objekt zum Verkauf, das selbst für die erfahrenen Mitarbeiter des Dorotheums ein Novum darstellte: Ein stark reparaturbedürftiger Peugeot, dessen Verkehrssicherheit nicht garantiert werden konnte. Trotz seines bedauernswerten Zustands erzielte der Wagen in der Online-Auktion einen Preis von 6800 Euro – ein beachtlicher Wert angesichts des Startpreises von lediglich 2000 Euro.
Der Grund für die Versteigerung dieses Fahrzeugs war ungewöhnlich: Es handelte sich um das erste Auto in Österreich, das von den Behörden beschlagnahmt und anschließend versteigert wurde, weil der Besitzer mit überhöhter Geschwindigkeit unterwegs war. Wie die Wiener Zeitung „Der Standard“ berichtete, wurde diese Maßnahme durch eine Novelle der Straßenverkehrsordnung ermöglicht, die im März dieses Jahres in Kraft trat. Die Möglichkeit, Fahrzeuge unter bestimmten Voraussetzungen dauerhaft zu beschlagnahmen, gibt es bereits in anderen europäischen Ländern. So werden in Polen beispielsweise Autos konfisziert, wenn Fahrer unter starkem Alkoholeinfluss am Steuer erwischt werden. In Dänemark droht die Beschlagnahmung bei sogenannten „Wahnsinnsfahrten“, und auch in der Schweiz, die für ihre strengen Verkehrsregeln bekannt ist, können Raser ihr Fahrzeug verlieren. In Deutschland ist eine dauerhafte Beschlagnahme ebenfalls möglich, allerdings nur bei illegalen Straßenrennen und auf Beschluss eines Gerichts.
In Österreich hingegen obliegt die Entscheidung über die Beschlagnahmung einer Verwaltungsbehörde – ein Vorgehen, das nun erstmals angewendet wurde. Überschreitet ein Fahrer innerhalb einer Ortschaft die zulässige Höchstgeschwindigkeit um 80 km/h oder außerhalb um 90 km/h, so ist die Polizei befugt, das Fahrzeug für die Dauer von zwei Wochen zu beschlagnahmen. Liegen bereits einschlägige Verkehrsverstöße vor, so greift diese Regelung bereits ab einer Geschwindigkeitsüberschreitung von 60 km/h innerorts bzw. 70 km/h außerorts. Im Anschluss an die Beschlagnahmung wird geprüft, ob der Halter des Fahrzeugs mit dem Fahrer identisch ist. Nur wenn dies der Fall ist, kann das Auto dauerhaft eingezogen werden – eine Regelung, die in der Schweiz beispielsweise nicht gilt. Um zu verhindern, dass der Verkehrssünder sein Fahrzeug schnell verkauft und so der Strafe entgeht, darf ab dem Zeitpunkt der Beschlagnahmung nur noch die Behörde über den Verbleib des Autos entscheiden. Die Regelung gilt selbstverständlich auch für ausländische Staatsbürger, allerdings ist bisher noch kein Fall bekannt geworden, in dem ein Deutscher von dieser Maßnahme betroffen war.
Die Verschärfung des Gesetzes wird von offizieller Seite mit der abschreckenden Wirkung der Sanktion begründet – im Juristendeutsch spricht man von „spezial- und generalpräventiven Gründen“. Im Vordergrund steht jedoch der Aspekt der öffentlichen Sicherheit, wie es in den Erläuterungen zum Gesetz heißt: „Gerade bei massiven Geschwindigkeitsüberschreitungen ist das Gefährdungspotenzial derart hoch, dass das Fahrzeug als Waffe eingesetzt werden kann und somit eine akute Gefahr für Leib und Leben anderer Verkehrsteilnehmer darstellt. Um diesem Risiko wirksam zu begegnen, sind im Verwaltungsstrafgesetz bestimmte verfahrensrechtliche Abweichungen von den üblichen Regeln vorgesehen.“
Ob das Gesetz tatsächlich zu einer Verbesserung der Verkehrssicherheit führt, wollte das Kuratorium für Verkehrssicherheit bereits im Juni dieses Jahres überprüfen. Das Ergebnis: Im ersten Halbjahr 2024 gab es in Österreich so wenige Verkehrstote wie noch nie zuvor. Hochrechnungen zufolge ist bis Jahresende mit 342 Verkehrstoten zu rechnen, verglichen mit 396 im Jahr 2023 und 370 im Jahr davor. Besonders deutlich ist der Rückgang bei Unfällen, die auf überhöhte Geschwindigkeit zurückzuführen sind – hier sank die Zahl um 57 Prozent. „Möglicherweise hat die Angst, das Statussymbol Auto zu verlieren, zu einer Verhaltensänderung bei den Fahrern geführt“, so eine Mitteilung des Vereins, der vor 65 Jahren von Versicherungsgesellschaften gegründet wurde.
Wie „Der Standard“ berichtete, wurden seit März dieses Jahres österreichweit 133 Fahrzeuge vorläufig beschlagnahmt. Innerhalb von 14 Tagen wird in jedem Einzelfall geprüft, ob die Voraussetzungen für eine dauerhafte Beschlagnahmung erfüllt sind. Berücksichtigt werden dabei unter anderem die Eigentumsverhältnisse des Fahrzeugs – also ob es sich um ein Miet- oder Leasingfahrzeug handelt – sowie die Korrektheit der Geschwindigkeitsmessung. In den meisten Fällen mussten die Fahrzeuge wieder an die Eigentümer herausgegeben werden. Die Behörden können in diesen Fällen lediglich ein Fahrverbot für das entsprechende Auto aussprechen. Insgesamt wurden bisher 13 Fahrzeuge in Österreich dauerhaft beschlagnahmt. Es ist davon auszugehen, dass in Zukunft weitere Fahrzeugversteigerungen folgen werden.
Quellen: