19.10.2024
Schatten über der EM: Rechtsextremismus überschattet das Fußballfest
Die Europameisterschaft (EM) steht eigentlich im Zeichen der Vielfalt und des sportlichen Wettbewerbs. Doch rund um das Turnier und in den Stadien kam es vermehrt zu rechtsextremen und volksverhetzenden Vorfällen. Die Europäische Fußball-Union (UEFA) hat bereits erste Strafen verhängt. ### Welche Vorfälle hat es bereits während des Turniers gegeben? Schon beim Eröffnungsspiel zwischen Deutschland und Schottland kam es bei mehreren Fan-Veranstaltungen zu rassistischen Parolen und dem Zeigen des Hitlergrußes durch deutsche Fans. In Stuttgart verlief das Hochsicherheitsspiel zwischen Deutschland und Ungarn laut Polizeiangaben größtenteils friedlich, jedoch zeigten auch ungarische Fans den Hitlergruß. Türkische Fans feierten in mehreren deutschen Städten mit dem Wolfsgruß, einer Geste der rechtsextremen Grauen Wölfe. In Dortmund versammelten sich albanische und türkische Fans, wobei albanische Symbole und eine „Großalbanien“-Fahne geschwenkt wurden, die Teile von Montenegro, Serbien, Nordmazedonien, Griechenland und das gesamte Kosovo umfasst. Ungarische Fans präsentierten beim Spiel gegen die Schweiz ein „Anti-Antifa“-Transparent und erhielten dafür Zuspruch in rechten Telegram-Gruppen. Kroatische Fans bezogen sich vor dem Spiel gegen Spanien in Gelsenkirchen auf den Krieg und ehrten den Kriegsverbrecher Slobodan Praljak, während serbische Fans albanische Fahnen verbrannten und pro-russische Banner präsentierten. Slowenische Fans zeigten in Stuttgart das rechtsextreme Keltenkreuz. Bei dem Spiel zwischen Kroatien und Albanien riefen Fans beider Lager „Tötet Serben“. Daraufhin legte der serbische Fußballverband Beschwerde bei der UEFA ein. „Wir verlangen von der UEFA Sanktionen, letztlich auch um den Preis, dass wir die Europameisterschaft nicht fortsetzen“, sagte der Generalsekretär des serbischen Fußball-Verbandes, Jovan Surbatovic, im öffentlich-rechtlichen Rundfunk RTS in Serbien. Der albanische Stürmer Mirlind Daku ist ebenfalls wegen nationalistischen Gesängen aufgefallen und wurde von der UEFA für zwei Spiele gesperrt. Der albanische Verband muss zudem eine Geldstrafe in Höhe von 25.000 Euro zahlen. ### Wie geht die UEFA gegen rassistische und nationalistische Vorfälle vor? Die Disziplinarkammer der UEFA hat bisher zwei Fußballverbände sanktioniert: Albanien und Serbien wurden jeweils mit einer Geldstrafe von 10.000 Euro belegt. Laut offizieller Mitteilung verbreiteten die Fans während der jeweiligen Spiele im Stadion „provokative Botschaften“, die nicht zu einem Sportereignis passen. Die serbischen Fans zeigten eine Fahne mit den Umrissen Serbiens, einschließlich des seit 2008 unabhängigen Kosovo. Albanische Fans hatten bereits während eines Spiels gegen Italien serbenfeindliche Gesänge angestimmt und ebenfalls eine umstrittene Flagge gezeigt. Die UEFA teilte mit, dass weitere Untersuchungen laufen. Englische Medien berichteten, dass Affenlaute aus dem serbischen Fanlager in Richtung der englischen Spieler gemacht wurden. Konsequenzen gab es auch für einen Journalisten aus dem Kosovo, der am Rande des Spiels die Doppeladler-Geste gemacht hatte: Die UEFA schloss den Fernsehreporter vom Turnier aus und entzog ihm die Akkreditierung. Die Doppeladler-Geste steht für die Heimatverbundenheit aller ethnischen Albaner und ist auch auf der Nationalflagge Albaniens zu finden. Bei der Fußball-WM 2018 hatten schon die Schweizer Spieler Granit Xhaka und Xherdan Shaqiri nach ihren Toren gegen Serbien mit dieser Geste für Aufsehen gesorgt. ### Welche Symbole, Flaggen, Gesten und Sprüche sind in Deutschland verboten? In Deutschland sind bestimmte nationalistische Symbole und Gesten aufgrund ihrer Verbindung zum Nationalsozialismus und anderen verfassungsfeindlichen Ideologien streng verboten. Dazu gehören unter anderem das Hakenkreuz, die SS-Runen, der Hitlergruß, die Reichskriegsflagge, NSDAP-Parteiabzeichen und -Kennzeichen sowie weitere Symbole der nationalsozialistischen Bewegung. Die Verwendung dieser Symbole in jeglicher Form, sei es auf Flaggen, Abzeichen, Kleidung oder anderweitig, ist strafbar nach § 86a des Strafgesetzbuches. Die Sanktionen für Verstöße gegen diese Verbote sind erheblich und umfassen Geldstrafen sowie Freiheitsstrafen von bis zu drei Jahren. Besonders schwerwiegende Vergehen, wie die Verbreitung von nationalsozialistischer Propaganda oder das Leugnen des Holocausts, können zu höheren Freiheitsstrafen führen. Zudem können Gegenstände, die verbotene Symbole tragen, eingezogen und vernichtet werden. Das Bundesamt für Verfassungsschutz aktualisiert ständig seine Übersicht über verbotene Kennzeichen und Symbole – auch für den auslandsbezogenen Extremismus. ### Befeuern Länderspiele den Nationalismus? Ja, Länderspiele können den Nationalismus befeuern. Die starke emotionale Aufladung und mediale Inszenierung solcher Spiele fördern oft nationalen Stolz und Identifikation mit der Nation. Studien zeigen, dass erfolgreiche Turniere wie WM oder EM nationalistische Einstellungen verstärken können, wobei auch fremdenfeindliche und rassistische Tendenzen zunehmen. Und solange es Konfliktlagen auf nationaler Ebene oder zwischen Volksgruppen gibt – wie die Spannungen am Balkan zwischen Serbien, Kroatien und Albanien – werde sich nicht verhindern lassen, dass das auch im Fußball transportiert wird, sagt Fanexperte Michael Gabriel. ### Der Einfluss von Fußball auf Nationalstolz und Nationalismus Länderspiele sind eine Bühne, auf der Nationalstolz und Nationalismus deutlich zur Schau gestellt werden. Während die meisten das Turnier als Fest der Völkerverständigung verstehen, missbrauchen einige das Turnier, um ihre verfassungsfeindlichen Einstellungen zu verbreiten. Es gibt jedoch auch positive Effekte wie den „Özil-Effekt“, der während der WM 2010 zu einem stärkeren Bewusstsein für Diversität führte. Insgesamt hängt der Effekt von den spezifischen Umständen und der gesellschaftlichen Stimmung ab. ### Mehr zur Rechtsextremimus im Sport - Kommentar: Den „Grauen Wölfen“ mehr entgegensetzen - Eintracht Gladau: Fußballmannschaft mit Rechtsextremen darf weiterspielen - Gegen rechts: Mit Demos, Bildung und Bier die Demokratie verteidigen - Sport und Politik: Fußballvereine rufen zu Protesten gegen rechts auf - Türkischer Nationalismus: Der Einfluss der Grauen Wölfe auf den Fußball
Weitere
Artikel