Der Karneval in Recife, Brasilien, ist weit mehr als nur ein farbenfrohes Fest. Er ist ein Ausdruck des afrikanischen Erbes und ein Mittel im Kampf gegen religiösen Rassismus. Wie die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung berichtet, dröhnen in Recife die Trommeln so kraftvoll, dass sie die Menschen im Innersten zu berühren scheinen. Hunderte Menschen bewegen sich im Rhythmus der Musik, Kinder tanzen die Tänze der Götter und singen in der westafrikanischen Sprache Yorubá. Frauen tragen Turbane und schweren Schmuck, Männer weite Hosen und die afrikanische Kopfbedeckung Kufi. Die Szene wirkt wie ein afrikanisches Ritual, und tatsächlich ist sie auch eines.
Recife war einst ein wichtiger Zielort für europäische Sklavenhändler. Wie die FAZ weiter ausführt, wurden bis Mitte des 19. Jahrhunderts mehr als 960.000 Menschen aus Afrika dorthin verschleppt. Die Stadt galt als die drittwichtigste „afrikanische Stadt“ Brasiliens. Die Versklavten arbeiteten im Zuckerrohranbau, aber auch auf dem Bau, im Handel und im Haushalt. Die Missionare missbilligten die Zusammenkünfte der Versklavten in Bruderschaften und kulturellen Gruppierungen, die mit ihren Tänzen und religiösen Riten das Stadtbild prägten.
Heute wird dieses Erbe gefeiert. Afoxé-Gruppen erweisen mit ihrer Percussion den Gottheiten der afrobrasilianischen Religion Candomblé die Ehre. Yalaxé Olefun Helaynne Sampaio, Tochter einer Candomblé-Priesterin, betont in der FAZ die Bedeutung des Afrotanzes und -gesangs für die Identitätsstiftung und das Empowerment schwarzer Frauen. Der Kulturabend Quinta Nago, den ihre Mutter ins Leben gerufen hat, erfüllt jeden dritten Donnerstag im Monat den Patio de São Pedro mit afrikanischen und indigenen Rhythmen. „Wir wollen mit unserer Religiosität auf der Straße präsent sein“, wird Yalaxé Olefun zitiert, „das ist unsere Art, religiösen Rassismus zu bekämpfen.“ Trotz der in der ersten brasilianischen Verfassung von 1891 garantierten Religionsfreiheit herrscht bis heute Intoleranz gegenüber afrobrasilianischen Religionen.
Die Touristentouren der Agentur „Odara“ stellen das afrikanische Erbe in den Mittelpunkt, wie die FAZ berichtet. Die Besucher werden mit Liedern in Yorubá in eine Vergangenheit entführt, in der im Stadtviertel São José befreite Sklaven und Fischer lebten, Candomblé-Tempel standen und der Duft von Kräutern, Fisch und Palmöl die Luft erfüllte. Im 19. Jahrhundert gab es dort fliegende Händler und Capoeira, bis entrüstete Kapuzinermönche die Errichtung einer eisernen Markthalle nach Pariser Vorbild erwirkten, um die Gegend zu europäisieren. Das Gebäude wurde 1875 fertiggestellt und steht seit 1973 unter Denkmalschutz. Doch das Leben dort ist nicht europäisch: In kleinen Läden werden Statuen von Gottheiten, Baumharze, Hufeisen, Perlenketten und Kaurimuscheln für Opfergaben verkauft. „Auf den Sklavenschiffen kamen Menschen unterschiedlichster Herkunft, deren Traditionen sind in Brasilien zu neuen Religionen verschmolzen“, erklärt Bruno Borba laut FAZ.
Wie die Süddeutsche Zeitung in einem Artikel über den Karneval in Brasilien berichtet, ist der Karneval in Städten wie Recife und Olinda viel ursprünglicher als das Spektakel in Rio de Janeiro. Während in Rio die Musik von Sound-Lkws schallt, spielen in Recife und Olinda Blechbläser die alten Melodien des Frevo, und private Karnevalsgruppen prägen das Treiben mit ihren selbstgemachten Kostümen. Auch die Maracatús und Afoxé-Gruppen, die aus Angehörigen der afro-brasilianischen Religion Candomblé bestehen, sind dort zu sehen. Sie feiern eine Art Gottesdienst auf der Straße, bei dem sie die Lieder singen und zu den Rhythmen tanzen, mit denen sie auch in ihren Kultstätten die Götter rufen.
Der Einfluss afrikanischer Musiktraditionen auf die brasilianische Musik ist bedeutend, wie auch im Wikipedia-Artikel über brasilianische Musik erläutert wird. Die starke Betonung der Perkussion und synkopierte Rhythmen sind charakteristisch. Die Musik des Candomblé ist besonders einflussreich und hat viele Rhythmen hervorgebracht, die auch in die Música Popular Brasileira eingeflossen sind. Auch die Capoeira, ein afro-brasilianischer Kampftanz, hat eine eigene musikalische Tradition, die auf Instrumenten wie dem Berimbau, der Atabaque, dem Pandeiro, Agogôs und Xekerês basiert.
Wie der Blog von Viventura zum Karneval in Südamerika beschreibt, ist der Karneval in Recife der drittgrößte in Brasilien und bekannt für die Parade „Hahn der Morgenröte“, bei der Millionen Menschen einer riesigen Hahnenstatue folgen. Die Vielfalt der Karnevalsfeiern in Südamerika spiegelt die reichen Kulturen und Traditionen des Kontinents wider. Die Geschichte Südamerikas zeigt sich in den Kostümen, Tänzen und der Mischung aus indigenen, afrikanischen und europäischen Einflüssen.
Verwendete Quellen: