19.10.2024
Schiffsunglück der Yacht Bayesian und seine technischen Hintergründe

Yachtexperte zu Bayesian: „Wenn ein Einzelteil versagt, kann es zu einer Kettenreaktion kommen“

Das tragische Bootsunglück der Luxusyacht „Bayesian“ vor der Küste Siziliens hat in den letzten Tagen für Schlagzeilen gesorgt. Die Yacht, die mit dem britischen Tech-Milliardär Mike Lynch an Bord war, sank aufgrund eines schweren Gewitters. In einem Interview erläutert Jan Maas, ein erfahrener Bootsbauer und leitender Mitarbeiter bei Pantaenius, die möglichen Ursachen des Unglücks und die Herausforderungen, die bei der Konstruktion und dem Betrieb von Yachten dieser Größe auftreten können.

Technische Standards und Konstruktionsvorschriften

Die „Bayesian“ misst beeindruckende 56 Meter in der Länge und wurde nach strengen Klassenvorschriften konstruiert. Diese Vorschriften sollen sicherstellen, dass Yachten den höchsten technischen Standards entsprechen. Maas betont jedoch, dass selbst die besten Konstruktionen in extremen Situationen versagen können. „Es gibt immer Ausnahmesituationen, die über die Grenzen der Standards hinausgehen“, erklärt er.

Stabilität und Kippen der Yacht

Eine der auffälligsten Eigenschaften des Unglücks war die Geschwindigkeit, mit der die Yacht sank, nachdem sie auf die Seite gekippt war. Maas erklärt, dass ein intaktes Schiff normalerweise nicht einfach auf der Seite liegen oder sinken sollte. „Wenn das Schiff erst auf der Seite liegt, kann Wasser eindringen und den Auftrieb der Yacht so stark mindern, dass sie untergeht“, sagt er. Dies deutet darauf hin, dass es möglicherweise bereits zu Schäden gekommen war, die die Stabilität der Yacht beeinträchtigten.

Risiken bei Aluminiummasten

Ein weiterer Aspekt, der in den Berichten über die „Bayesian“ angesprochen wurde, ist der 75 Meter hohe Mast, der aus Aluminium gefertigt ist. Maas stellt klar, dass Aluminiummasten ausgereifte Technik sind, deren Belastungen genau berechnet werden können. „Das Rigg wird nach Klassenvorschriften konstruiert, die eine hohe Sicherheit berücksichtigen. Dennoch besteht ein solches Rigg aus vielen Komponenten. Wenn ein Einzelteil versagt, kann es zu einer Kettenreaktion kommen“, warnt er.

Funktionalität versus Design

Ein häufiges Thema bei Luxusyachten ist das Spannungsfeld zwischen Funktionalität und Design. Maas erklärt, dass es in der Regel möglich ist, beides zu vereinen. „Bei einer renommierten Werft wie Perini Navi gibt es viel Erfahrung aus vorangegangenen Bauten. Gerade kommerziell genutzte Yachten unterliegen zudem einer regelmäßigen Prüfung“, sagt er. Dies deutet darauf hin, dass die Werften bestrebt sind, sowohl ästhetische als auch funktionale Aspekte zu berücksichtigen.

Reaktionsfähigkeit der Crew

Berichten zufolge hatte die „Bayesian“ Schwierigkeiten, den Anker rechtzeitig zu lichten. Maas erklärt, dass die Crew unter extremen Wetterbedingungen durchaus reagieren kann, es jedoch in plötzlichen Situationen schwierig sein kann. „Auf dem offenen Meer kann ein Schiff extreme Wettersituationen grundsätzlich besser abwettern als dicht unter Land, wo im flacheren Wasser Wellen eher brechen und das Schiff gefährden“, erläutert er. Dies könnte die Probleme der Crew bei der Reaktion auf das Unwetter erklären.

Fazit

Das Unglück der „Bayesian“ wirft viele Fragen auf, insbesondere hinsichtlich der technischen Aspekte und der Sicherheitsvorkehrungen bei der Konstruktion und dem Betrieb von Luxusyachten. Jan Maas' Einblicke verdeutlichen, dass selbst bei den besten Konstruktionen unvorhergesehene Ereignisse eintreten können, die zu katastrophalen Folgen führen. Die Tragödie erinnert daran, wie wichtig es ist, Sicherheitsstandards und Reaktionsmechanismen in der Schifffahrt kontinuierlich zu überprüfen und zu verbessern.

Die Suche nach den vermissten Personen, darunter Mike Lynch, geht weiter, während die Behörden die genauen Umstände des Unglücks untersuchen. Es bleibt zu hoffen, dass aus dieser Tragödie Lehren gezogen werden können, um zukünftige Unglücke zu verhindern.

Quellen: FAZ.NET, Pantaenius

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