Bundeskanzler Olaf Scholz' Telefonat mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin hat international für Verwunderung gesorgt, insbesondere in der Europäischen Union. Wie die Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) berichtet, äußerte sich der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell am Montag vor dem Rat der Außenminister kritisch über das Gespräch. Borrell betonte, Putin habe auf Gesprächsversuche mit den schwersten Angriffen auf die zivile Infrastruktur reagiert. Er wisse nicht, worüber Scholz und Putin gesprochen hätten, und es sei ihm auch egal. Seine Aufgabe sei es, die Leitlinien des Europäischen Rats umzusetzen, und diese sähen bisher keine Verhandlungen mit Moskau vor.
Die FAZ berichtet weiter, dass auch mehrere EU-Außenminister ihre Verwunderung über Scholz' Initiative zum Ausdruck brachten. Der Tenor beim Treffen sei gewesen, dass Verhandlungen mit Putin nur aus einer Position der Stärke möglich seien. Auch Außenministerin Annalena Baerbock habe den Kanzler unter Druck gesetzt.
Der Tagesschau zufolge kritisierte der polnische Ministerpräsident Donald Tusk die „Telefondiplomatie“ mit Putin und forderte stattdessen eine „wirkliche“ Unterstützung der Ukraine. Auch Finnlands Außenministerin Elina Valtonen äußerte sich kritisch und betonte die Notwendigkeit einer koordinierten Antwort, vor allem mit der Ukraine.
Scholz verteidigte sein Vorgehen laut RND und betonte die Wichtigkeit, Putin die anhaltende Unterstützung Deutschlands und Europas für die Ukraine zu verdeutlichen. Das Gespräch sei lange angekündigt und sehr ausführlich gewesen, habe aber gezeigt, dass sich Putins Ansichten zum Krieg nicht geändert hätten. Scholz bedauerte auch das Fehlen Selenskyjs beim G20-Gipfel.
Die Tagesschau berichtet zudem über die scharfe Kritik des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj, der Scholz vorwarf, mit dem Telefonat die „Büchse der Pandora“ geöffnet zu haben. Selenskyj betonte, die Ukraine brauche „echten Frieden“ und es werde kein weiteres Minsk-Abkommen geben. Das ukrainische Außenministerium beklagte „Appeasement-Versuche“.
Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) hielt das Telefonat laut Tagesschau für „richtig“, um Putin die Erwartungen Deutschlands deutlich zu machen, auch wenn man nicht erwarten könne, dass er sich danach richte. Die jüngsten russischen Angriffe zeigten, dass mit Putin zurzeit nicht über Frieden zu reden sei. Trotzdem müsse man es immer wieder versuchen und gleichzeitig die Ukraine unterstützen.
Die taz kommentierte das Telefonat als „falsche Nummer“ und argumentierte, Scholz habe sich als Bittsteller präsentiert, während Putin in der Position des Empfängers gewesen sei. Jetzt gelte es, die Ukraine aufzurüsten und in eine starke Position zu versetzen.
Der Merkur berichtete über die Kritik aus der Union, die Scholz vorwarf, Putin einen Propagandaerfolg ermöglicht zu haben. Auch die Grünen äußerten sich kritisch und stellten die Frage, ob Scholz einen Wahlkampf als „Friedenskanzler“ plane.