Ein Pflegeheim im niedersächsischen Wilstedt sieht sich mit einer existenziellen Krise konfrontiert: Zehn Pflegekräfte aus Kolumbien, die einen wesentlichen Teil des Personals ausmachen, drohen abgeschoben zu werden. Wie die Zeit berichtet, hat sich die Heimleitung, gemeinsam mit Angehörigen der Bewohner und der Belegschaft, mit einem offenen Brief an Politiker auf Bundes-, Landes- und Kommunalebene gewandt, um für den Verbleib der Pflegekräfte zu kämpfen. Das Heim, das sich auf die Betreuung demenzkranker Menschen spezialisiert hat, befürchtet, ohne die kolumbianischen Mitarbeiter schließen zu müssen.
Heimleiter Tino Wohlmacher äußerte sich gegenüber der dpa (wie von der Süddeutschen Zeitung übernommen) fassungslos über die Situation. Er betonte die gute Integration der Pflegekräfte, die Steuern zahlen und zum Sozialsystem beitragen. Der drohende Verlust der Mitarbeiter würde eine nicht zu schließende Lücke im Pflegebetrieb reißen, da Ersatz im aktuellen Pflegenotstand kaum zu finden sei. Wie die taz berichtet, habe Wohlmacher seit Jahren Stellenausschreibungen laufen, ohne qualifiziertes Personal zu finden.
Die Asylanträge der kolumbianischen Pflegekräfte wurden abgelehnt. Das niedersächsische Innenministerium verweist, wie die Zeit berichtet, auf die gesetzliche Ausreisepflicht von Ausländern ohne Asylberechtigung oder alternative Aufenthaltsperspektiven. Die Ausländerbehörden seien zur Einleitung der Abschiebung verpflichtet, wenn die Betroffenen der Ausreisepflicht nicht freiwillig nachkommen. Die Anerkennungsquote von Asylanträgen kolumbianischer Staatsbürger sei verschwindend gering. Das Ministerium empfiehlt kolumbianischen Staatsangehörigen, sich vom Herkunftsland aus um einen Aufenthaltstitel im Rahmen der Fachkräfteeinwanderung zu bemühen. Niedersachsen sei an der legalen Aufnahme ausländischer Fachkräfte interessiert, so das Ministerium. Zuständig für Asylverfahren ist das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF).
Wie die Grafschafter Nachrichten berichten, bestätigte eine Mitarbeiterin des Heims, dass die kolumbianischen Pflegekräfte weiterhin in der Einrichtung arbeiten. Das Innenministerium bezeichnete die Situation als "äußerst misslich" und stehe im Kontakt mit der zuständigen Ausländerbehörde, um die rechtlichen Gegebenheiten der Einzelfälle und mögliche Handlungsoptionen zu prüfen. Ein Wechsel vom Asyl- zum Arbeitsaufenthalt ist in Deutschland nur unter bestimmten Voraussetzungen möglich. Asylbewerber, die vor dem 29. März 2023 eingereist sind und über eine Qualifikation sowie ein Jobangebot verfügen, können seit November 2023 eine Aufenthaltserlaubnis als Fachkraft beantragen, sofern sie ihren Asylantrag zurücknehmen. Ob diese Regelung auf die betroffenen Pflegekräfte in Wilstedt anwendbar ist, war zunächst unklar.
Der Flüchtlingsrat Niedersachsen, wie auf deren Website dokumentiert, unterstützt den Protest gegen die drohende Abschiebung und bietet den Betroffenen Beratung und Hilfe an. In einem offenen Brief der Angehörigen und der Belegschaft des Hauses Wilstedt wird die Absurdität der Situation angeprangert, während Bundesminister Heil in Brasilien um Pflegekräfte wirbt, sollen in Deutschland bereits integrierte Kräfte abgeschoben werden. Eine Petition wurde gestartet, um die Abschiebung zu verhindern und den Pflegekräften eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis zu ermöglichen.
Die taz zitiert Heimleiter Wohlmacher mit den Worten, dass die betroffenen Pflegekräfte Wohnungen haben, ihre Kinder zur Schule gehen und sie sich in ihrem Beruf und in Vereinen engagieren. Die Gründe für ihre Flucht seien vielfältig und reichen von Rekrutierungsversuchen durch Guerillagruppen bis hin zu Schutzgeldforderungen. Das BAMF betont jedoch, dass im Asylverfahren ausschließlich die Gefahr bei einer Rückkehr ins Herkunftsland geprüft wird, Integrationsleistungen könnten nicht berücksichtigt werden.
Wie Bild berichtet, hat sich inzwischen auch die kolumbianische Botschaft in Berlin und das Konsulat in Bremen in den Fall eingeschaltet und beim Innenministerium in Hannover um eine Härtefallprüfung gebeten. Die Abschiebung sollte im Sinne der Patienten verhindert werden.
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