19.10.2024
Sicherheitsmängel und Vorwürfe nach dem Untergang der Luxusyacht Bayesian

Untergang der Bayesian: Gründer des Yacht-Herstellers macht Kapitän schwere Vorwürfe

Der tragische Untergang der Luxusyacht Bayesian vor der Küste Siziliens hat nicht nur den Verlust von sieben Menschenleben zur Folge gehabt, sondern auch eine Reihe von schweren Vorwürfen gegen die Besatzung aufgeworfen. Der Gründer und Hauptaktionär des Bootsbauunternehmens Italian Sea Group (ITSG), Giovanni Costantino, hat in mehreren Interviews, unter anderem mit der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (F.A.Z.) und der italienischen Tageszeitung Corriere della Sera, die Besatzung für grundlegende Sicherheitsmängel verantwortlich gemacht.

Am Donnerstag wurde die Leiche des 59-jährigen britischen Technologieunternehmers Mike Lynch, der Eigentümer der Yacht, in der Nähe des sizilianischen Fischerdorfes Porticello geborgen. Bis auf seine 18-jährige Tochter Hannah waren damit alle sieben Todesopfer identifiziert. Die genauen Umstände des Unglücks sind weiterhin Gegenstand intensiver Ermittlungen.

Vorwürfe gegen die Besatzung

Costantino betonte, dass die Bayesian, die 2008 von der ITSG-Tochter Perini Navi gebaut und 2020 umfassend renoviert wurde, ein sicheres Schiff sei. Er widersprach der Darstellung des Kapitäns James Cutfield, der behauptet hatte, der Sturm sei unerwartet gekommen. Costantino erklärte, dass der Sturm aufgrund elektronischer Wetterkarten und Daten des Navigationssystems AIS vorhersehbar gewesen sei. Er bezeichnete sich selbst als erfahrenen Segler und Leiter eines Unternehmens, das über 1300 Schiffe gebaut hat. „Es war unmöglich, von dem Sturm nicht zu wissen“, sagte er.

Die Vorwürfe beziehen sich insbesondere auf die Sicherheitsvorkehrungen an Bord. Costantino stellte klar, dass die Passagiere nicht in den Kabinen hätten sein dürfen und dass das Schiff nicht vor Anker hätte liegen sollen. „Jemand hätte Wache halten müssen“, sagte er. Während des Sturms sei die Bayesian vom Anker losgerissen und habe sich seitlich zum Wind gedreht, was zu einer kritischen Neigung des Schiffs geführt habe. Videoaufnahmen zeigen, dass der Mast während des Sturms nahezu horizontal lag.

Kardinalfehler und Sicherheitsmängel

Ein zentraler Punkt in Costantinos Argumentation ist der Wassereintritt, der durch geöffnete Türen und Luken während des Sturms verursacht wurde. „Es gibt Türen auf dem Deck, die bereits bei einer Neigung von 30 Grad Wasser durchlassen, wenn sie geöffnet sind“, erklärte er. Der Unternehmer bezeichnete dies als „Kardinalfehler“: „Das Boot neigte sich nur aus einem Grund um 90 Grad: weil das Wasser weiter eindrang. Vom Beginn des Wassereintritts bis zum Untergang vergingen nur sechs Minuten.“ Der schnelle Wassereintritt führte dazu, dass die Generatoren ausfielen und es zu einem Stromausfall kam.

Costantino äußerte auch, dass, sollte es tatsächlich eine Feier an Bord gegeben haben, dies eine grobe Fehlentscheidung gewesen sei. Stattdessen hätte das Boot sturmsicher gemacht werden müssen, indem alle Türen und Luken geschlossen wurden. Die Gäste hätten gemäß einer Notfallprozedur an einem sicheren Ort im Inneren des Schiffs untergebracht werden müssen.

Technische Aspekte und weitere Erklärungen

Ein weiterer Aspekt, den Costantino ansprach, war der fehlende Tiefgang aufgrund des eingezogenen Kiels. Dies habe die Stabilität des Schiffs beeinträchtigt, sei jedoch nicht die Hauptursache für das Unglück gewesen. Er wies darauf hin, dass Schiffe seiner Werft in der Vergangenheit auch extremen Wetterbedingungen standgehalten hätten, wie zum Beispiel dem Hurrikan Katrina im Jahr 2005. Costantino betonte, dass der Sturm vor Porticello, der zum Untergang der Bayesian führte, nur zwei Minuten gedauert habe.

Die Kritik an Kapitän Cutfield und der Besatzung bleibt bisher unbeantwortet. Cutfield, ein professioneller Skipper mit jahrelanger Erfahrung, hat sich bislang nur gegenüber der italienischen Staatsanwaltschaft geäußert, und Details zu seinen Aussagen sind noch nicht bekannt.

Folgen für das Unternehmen

Costantino äußerte sich auch zu den Auswirkungen des Unglücks auf sein Unternehmen. Er beklagte, dass Falschmeldungen über den Vorfall, wie zum Beispiel ein angeblicher Mastbruch, zu einem erheblichen Imageschaden und einem Rückgang des Aktienkurses geführt hätten. Seit dem Unglück am Montag ist der Wert seiner Unternehmensgruppe an der Börse in Mailand um etwa 3 Prozent gefallen, hat sich jedoch am Donnerstag wieder erholt.

Die Italian Sea Group ist bekannt für den Bau luxuriöser Motoryachten und Segelschiffe. Seit 2019 hat sich der Jahresumsatz des Unternehmens auf 364 Millionen Euro mehr als verdreifacht, und die operative Umsatzrendite liegt mittlerweile bei fast 17 Prozent. Costantino hat im Laufe der Jahre mehrere Marken übernommen, darunter Picchiotti, Admiral Yachts und Tecnomar.

Ermittlungen und rechtliche Konsequenzen

Die italienischen Behörden haben die Ermittlungen zum Unglück aufgenommen, und es wird erwartet, dass diese zu rechtlichen Konsequenzen führen könnten. Experten für Seerecht haben bereits darauf hingewiesen, dass Klagen von den Familien der Opfer oder den Überlebenden wahrscheinlich sind, jedoch müsste Fahrlässigkeit nachgewiesen werden. Ein rechtlicher Anspruch könnte sich als schwierig erweisen, da schlechtes Wetter auf See nicht automatisch von der Haftung entbindet.

Die genauen Umstände des Unglücks müssen nun von den Behörden geklärt werden. Die Tragödie um die Bayesian wirft nicht nur Fragen zur Sicherheit von Yachten auf, sondern auch zur Verantwortung der Besatzung und den Sicherheitsstandards in der Yachtindustrie.

Die Entwicklungen rund um diesen Vorfall werden weiterhin aufmerksam verfolgt, sowohl von der Öffentlichkeit als auch von Fachleuten der Branche.

Quellen: F.A.Z., Corriere della Sera, IPPEN.MEDIA, Business Insider

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