Thüringen verfügt über ein im bundesweiten Vergleich fortschrittliches Hochschulgesetz zur Gleichstellung und Diversität. Dennoch besteht weiterhin Handlungsbedarf. Der Frauenanteil an den Hochschulen steigt zwar, jedoch nur langsam, wie Tina Meinhardt, Sprecherin der Landeskonferenz der Gleichstellungsbeauftragten der Thüringer Hochschulen, am 27. November 2024 gegenüber der dpa erklärte. Das Statistische Landesamt verzeichnet einen Frauenanteil von etwa 60 Prozent unter den Studierenden und 45 Prozent beim wissenschaftlichen Personal. Demgegenüber stehen lediglich 29 Prozent Professorinnen. Auch die ZEIT berichtete am 27. November 2024 über diese Diskrepanz (https://www.zeit.de/news/2024-11/27/wie-es-um-die-gleichstellung-an-thueringer-hochschulen-steht). Als einen Grund für den geringen Anteil an Professorinnen nennt Meinhardt die Vergabe von Lebenszeitprofessuren, während im wissenschaftlichen Mittelbau mehr Fluktuation herrscht.
Meinhardt unterstrich die Bedeutung des fortschrittlichen Thüringer Hochschulgesetzes, äußerte aber gleichzeitig ihre Besorgnis über wachsende antifeministische Tendenzen in Gesellschaft und Politik. Diese Entwicklung führe zu Verunsicherung, weshalb die Unterstützung durch die Hochschulleitungen unerlässlich sei. Während Hochschulen wie die Bauhaus-Universität Weimar diese Unterstützung gewährleisten, bestünden laut Meinhardt erhebliche Unterschiede in der finanziellen und personellen Ausstattung der Gleichstellungsbeauftragten.
Die Wissenschaft ist ein leistungsorientierter Bereich. Aufgaben wie die Kinderbetreuung reduzieren die Zeit für wissenschaftliche Publikationen. Die Fokussierung auf Quantität im Bewertungssystem benachteiligt laut Meinhardt bestimmte Gruppen, darunter Frauen. Hinzu kommt die sogenannte „gläserne Decke“: Männer werden häufiger zitiert und verfügen über bessere informelle Netzwerke. Entscheidungsträger tendieren dazu, Positionen mit Personen zu besetzen, die ihnen ähnlich sind.
Bisherige Maßnahmen zur Erhöhung des Frauenanteils konzentrierten sich häufig auf Förderprogramme, Coachings und Förderfonds. Der aktuelle Ansatz zielt auf strukturelle Veränderungen. Es gilt, die „gläserne Decke“ und systemimmanente Benachteiligungen bestimmter Personengruppen zu identifizieren und zu beseitigen. Ein solcher Kulturwandel sei jedoch komplexer als die Bereitstellung finanzieller Mittel, da er die aktive Mitwirkung aller Beteiligten erfordert.
Fünf Thüringer Hochschulen (Universitäten Weimar und Jena, Hochschulen und Fachhochschulen Jena, Erfurt und Schmalkalden) partizipieren an einem Förderprogramm zur Erhöhung des Frauenanteils in der Professorenschaft. Das „Professorinnenprogramm 2030“ stellt Fördermittel in Höhe von über 400.000 Euro für Gleichstellungsmaßnahmen bereit. Die Universitäten Weimar und Jena wurden außerdem als „Gleichstellungsstarke Hochschulen“ ausgezeichnet. Informationen zum Thüringer Kompetenznetzwerk Gleichstellung finden sich unter https://www.tkg-info.de/ueber-uns/ziele-und-aufgaben/.