22.11.2024
Tölzer Knabenchor Nachwuchssuche in Zeiten des Wandels

Tölzer Knabenchor: Herausforderungen im Wandel der Zeit

Der Tölzer Knabenchor, bekannt für seine jahrzehntelange Tradition und seine herausragenden musikalischen Leistungen, steht aktuell vor verschiedenen Herausforderungen. Wie die Geschäftsführerin Barbara Schmidt-Gaden in einem Gespräch mit der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ) im November 2024 berichtete, macht dem Chor vor allem der Nachwuchsmangel zu schaffen. Als Gründe nennt sie überforderte Familien und ablehnende Grundschulen. Der Chor, 1956 von Gerhard Schmidt-Gaden gegründet, hat mit namhaften Künstlern wie Nikolaus Harnoncourt zusammengearbeitet und zählt zu den renommiertesten Vokalensembles Europas. Die Leitung des Chores liegt seit 2015 in den Händen von Barbara Schmidt-Gaden, der Tochter des Gründers. Die Corona-Pandemie hat die Situation für den Tölzer Knabenchor, wie für viele andere Kulturinstitutionen auch, zusätzlich verschärft. Wie Deutschlandfunk Kultur im November 2020 berichtete, mussten Proben und Konzerte aufgrund der Hygienemaßnahmen stark eingeschränkt oder ganz abgesagt werden. Von den normalerweise 170 Sängern konnten zeitweise nur maximal 30 Kinder gleichzeitig proben. Das Lernen auf Distanz gestaltete sich schwierig, insbesondere für neue Chormitglieder, die das mehrstimmige Singen ohne die Nähe zu den anderen Sängern erlernen mussten. Die fehlenden Auftrittsmöglichkeiten wirkten sich zudem negativ auf die Motivation der jungen Sänger aus. Ein weiteres Problem, das durch die Pandemie verstärkt wurde, ist die Nachwuchsgewinnung. Die traditionellen Castings in bayerischen Schulklassen konnten nicht wie gewohnt stattfinden, so Deutschlandfunk Kultur. Der Chor versuchte, dem mit Online-Castings entgegenzuwirken, doch der persönliche Kontakt zu Kindern und Eltern ließ sich dadurch nicht vollständig ersetzen. Die Zahl der Anmeldungen ging deutlich zurück. Die Süddeutsche Zeitung beleuchtete im Dezember 2020 die physiologischen Aspekte von Knabenstimmen. Matthias Echternach, Leiter der Abteilung Phoniatrie und Pädaudiologie des Universitätsklinikums der LMU München, erklärte im Interview, dass der Stimmbruch bei Jungen heute früher eintritt als beispielsweise zu Zeiten Johann Sebastian Bachs. Die meisten Knabenchöre beginnen daher bereits im siebten oder achten Lebensjahr mit der Ausbildung. Echternach vermutet, dass die beschleunigte Stimmbruchentwicklung im 20. Jahrhundert hormonelle oder ernährungsphysiologische Gründe hat. Ob sich das frühe Training der Kinderstimme positiv auf das spätere Singen im Erwachsenenalter auswirkt, lässt sich wissenschaftlich nicht eindeutig belegen. Das Knabenchorarchiv, eine Online-Plattform, die sich der Dokumentation von Knabenchören widmet, thematisiert in einem Blogbeitrag aus dem Jahr 2018 die gesellschaftliche Bedeutung von Knabenchören als eigenständiges Kulturgut. Der Beitrag verweist auf die Gründung eines neuen Knabenchors in Potsdam als positives Beispiel für den Erhalt dieser Tradition. Der Tölzer Knabenchor steht somit vor der Herausforderung, sich an die veränderten gesellschaftlichen Bedingungen und die Auswirkungen der Pandemie anzupassen, um seine reiche musikalische Tradition auch in Zukunft fortführen zu können. Quellen: - Frankfurter Allgemeine Zeitung: Tölzer Knabenchor: Beim Stimmbruch hilft kein Gendern (November 2024) - Deutschlandfunk Kultur: Tölzer Knabenchor - Eine verlorene Kinderchor-Generation (November 2020) - Süddeutsche Zeitung: Von Blüte und Bruch (Dezember 2020) - Knabenchorarchiv: Blogbeitrag (Dezember 2018)
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