19.10.2024
Alarmstufe Rot für Deutschlands Automobilstandort

VDA-Präsidentin beklagt gravierendes Standortproblem

Die Präsidentin des Verbandes der Automobilindustrie (VDA), Hildegard Müller, hat vor einem gravierenden Standortproblem in Deutschland gewarnt. In einem Interview mit der "Neuen Osnabrücker Zeitung" (NOZ) schilderte sie die Herausforderungen, vor denen die deutsche Automobilindustrie derzeit steht, und rief zu dringenden Maßnahmen auf, um die Wettbewerbsfähigkeit des Standorts zu sichern.

Teure Energie und Bürokratie als zentrale Probleme

Müller betonte, dass die hohen Energiekosten und die zunehmende Bürokratie die Hauptursachen für die Probleme der Industrie seien. „Ohne billige Energie, Rohstoffe und Bürokratieabbau ist die schleichende Deindustrialisierung nicht mehr zu stoppen“, erklärte sie. Die Autoindustrie sehe die Zukunft der Produktion in Deutschland in Gefahr. Nur ein Prozent der mittelständischen Unternehmen sei in der Lage, seine Investitionen in Deutschland zu erhöhen, was ein klares Warnsignal sei.

Die Präsidentin kritisierte zudem die EU und deren Sonderwege, wie das Lieferkettengesetz, das neue Bürokratie-Hürden aufbaue. „Auch die Bundesregierung muss vom Reden ins Handeln kommen, sonst lässt sich die schleichende Deindustrialisierung nicht mehr stoppen, weil Deutschland bei den Produktionskosten nicht mithalten kann“, warnte Müller. Berlin müsse deutlich mehr Druck auf Brüssel ausüben, um Energiepartnerschaften mit Afrika, dem Nahen Osten und Lateinamerika sowie Handelsabkommen abzuschließen.

Energiepartnerschaften und Handelsabkommen

Die EU habe rund 50 Freihandels- und andere Abkommen offen, über die aktuell verhandelt werde. Es hakt jedoch gerade bei den für die Automobilindustrie wichtigen Verträgen mit Indien, Mexiko und Mercosur. Zu oft verliere sich die EU im Klein-Klein oder ein Land blockiere alles aus Eigeninteresse. „Wenn wir die Industrie in Europa halten wollen, können wir uns diese Selbstlähmung nicht länger leisten“, so Müller.

Fragen zur Arbeitszeitverkürzung und Lohnerhöhungen

Angesichts der harten und wachsenden internationalen Konkurrenz sei zudem „die Frage berechtigt, ob jetzt die Zeit für Arbeitszeitverkürzung oder kräftige Lohnerhöhungen ist“, ergänzte die VDA-Präsidentin. „Wir werden nicht daran scheitern, dass wir keine guten Autos mehr bauen. Es geht allein um die Rahmenbedingungen. Nur, wenn die Politik endlich das Richtige tut, sind die Jobs in Deutschland auf Dauer zu halten.“

Investitionen wandern ins Ausland

Ein weiteres großes Problem sei, dass Investitionen ins Ausland abwanderten. „Nur ein Prozent der mittelständischen Unternehmen unserer Industrie sieht sich in der Lage, seine Investitionen in Deutschland zu erhöhen, ein klares Warnsignal! Teilweise können Werke nur hierzulande gehalten werden, weil Geld an Standorten im Ausland verdient wird. Wir haben ein gravierendes Standortproblem“, sagte Müller.

Ladesäulen und E-Mobilität

Ein wichtiger Aspekt für die Zukunft der Automobilindustrie sei auch der Ausbau der Ladeinfrastruktur für E-Autos. Müller betonte, dass es in gut einem Drittel aller Gemeinden noch keinen öffentlichen Ladepunkt gebe und knapp drei Viertel aller Gemeinden noch keinen Schnellladepunkt installiert hätten. „Das Allerwichtigste, um die E-Mobilität hierzulande wieder in Schwung zu bringen, sind Ladesäulen, Ladesäulen, Ladesäulen und Netze, Netze, Netze!“, sagte sie.

Die Intransparenz bei den Ladekosten bezeichnete die VDA-Präsidentin als „ein Dauer-Ärgernis“. „Das Bezahlsystem muss endlich vereinheitlicht und vereinfacht werden, sodass Nutzer an jedem Ladepunkt laden können. Was es zudem brauche, sei ein einheitliches System für die Abrechnung. Und es muss ausreichen, einen einzelnen Stromvertrag für ein E-Auto abzuschließen, so wie es für eine Wohnung oder ein Haus auch funktioniert“, so Müller.

Standortbedingungen und Reformbedarf

Müller warnte vor Beginn der Automesse IAA, dass Deutschland als Standort für die Industrie an Wettbewerbsfähigkeit verliere und rief zu „massiven Reformen“ auf. Überregulierung, zu langsame politische Entscheidungen und fehlende Rechtsrahmen bei Zukunftsthemen wie Künstlicher Intelligenz seien zentrale Probleme. Die Autoindustrie müsse jetzt investieren und wolle in den kommenden fünf Jahren 250 Milliarden Euro unter anderem in Digitalisierung stecken. „Wir können und werden nicht warten als Branche, weil wir sonst die Klimaziele nicht erreichen“, sagte Müller.

EU-Strafzölle auf chinesische E-Autos

Müller kritisierte auch die EU-Strafzölle auf chinesische E-Autos und bezeichnete sie als „kein geeignetes Mittel“ für den Schutz der Branche. „Es drohen Gegenmaßnahmen durch China und eine Protektionismus-Spirale würde Deutschland als Exportnation wohl am härtesten treffen“, erklärte sie. Die Sorge vor einer E-Auto-Schwemme aus Fernost sei aktuell übertrieben, denn so drastisch seien die Überkapazitäten in China nicht.

Fazit

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die deutsche Automobilindustrie vor großen Herausforderungen steht. Hohe Energiekosten, Bürokratie und die Abwanderung von Investitionen ins Ausland gefährden die Wettbewerbsfähigkeit des Standorts Deutschland. Hildegard Müller fordert daher dringende Maßnahmen von der Politik, um diese Probleme anzugehen und die Zukunft der Industrie zu sichern.

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