19.10.2024
Vielfältige Dimensionen der Partnerschaftsgewalt verstehen

Kommentar zu Partnerschaftsgewalt: Nicht jede Beziehungstat ist ein Femizid

In der Diskussion um Partnerschaftsgewalt wird häufig der Begriff "Femizid" verwendet, insbesondere von politischen Akteuren wie Bundesinnenministerin Nancy Faeser und Bundesfamilienministerin Lisa Paus. Femizid bezeichnet die Tötung einer Frau aufgrund ihres Geschlechts. Statistiken des Bundeskriminalamtes zeigen, dass Frauen in Deutschland überproportional von tödlicher Partnerschaftsgewalt betroffen sind. Im Jahr 2023 wurden 179 Frauen durch ihren Partner oder Ex-Partner getötet, wobei mehr als 80 Prozent dieser Opfer weiblich waren. Diese Zahlen verdeutlichen die Dringlichkeit, mit der das Thema behandelt werden muss.

Jedoch ist die pauschale Annahme, dass jede Tötung einer Frau durch ihren Partner als Femizid klassifiziert werden kann, problematisch. Diese Sichtweise könnte die komplexen Motivlagen hinter Beziehungstaten verkennen. Es ist wichtig zu erkennen, dass nicht jede Beziehungstat automatisch einen Femizid darstellt. Der Begriff "Beziehungstat" ist ein umfassenderer Oberbegriff, der verschiedene Formen von Gewalt innerhalb von Partnerschaften abdeckt und seine eigene Berechtigung hat.

Juristische Einordnung von Partnerschaftstötungen

Die juristische Einordnung von Tötungen im Kontext von Partnerschaftsgewalt ist komplex. Der Bundesgerichtshof stuft diese Taten nicht automatisch als Mord ein. In vielen Fällen werden die Täter lediglich wegen Totschlags verurteilt. Um eine Tötung als Mord zu klassifizieren, müssen spezifische Mordmerkmale vorliegen, wie beispielsweise niedrige Beweggründe des Täters. Diese rechtlichen Differenzierungen sind notwendig, um die unterschiedlichen Motivationen und Umstände einer Tat angemessen zu bewerten.

Die Unterscheidung zwischen Mord und Totschlag ist nicht nur eine juristische Feinheit, sondern hat auch erhebliche Auswirkungen auf die Strafzumessung. Während Mord in der Regel mit einer lebenslangen Haftstrafe geahndet wird, sind die Strafen für Totschlag oft geringer. Dies führt zu einer Diskussion darüber, ob die rechtlichen Rahmenbedingungen ausreichend sind, um die spezifischen Herausforderungen der Partnerschaftsgewalt zu adressieren.

Die Rolle von patriarchalen Denkmustern

Ein häufiges Motiv für Tötungen in Partnerschaften ist das patriarchalische Besitzdenken, das in vielen Fällen zu Gewalt führt. Dieses Denken ist tief in der Gesellschaft verwurzelt und manifestiert sich in der Überzeugung, dass Männer das Recht haben, über Frauen zu bestimmen. Wenn dieses Besitzdenken zu einer Tötung führt, kann es sich um einen Femizid handeln. Es ist jedoch wichtig, nicht jede Tötung einer Frau durch ihren Partner automatisch als Femizid zu klassifizieren, da dies die vielschichtigen und oft individuellen Motivationen hinter solchen Taten ignoriert.

Rechtliche Reformen und Schutzmaßnahmen

Um Frauen besser vor tödlicher Partnerschaftsgewalt zu schützen, sind rechtliche Reformen notwendig. Eine Möglichkeit wäre, den Mordparagraphen dahingehend zu ergänzen, dass das Töten unter Ausnutzung körperlicher Überlegenheit des Täters als Mord eingestuft wird. Derzeit werden Männer, die ihre körperliche Überlegenheit ausnutzen, oft lediglich wegen Totschlags bestraft, während Frauen, die in einer vergleichbaren Situation handeln, aufgrund von Heimtücke als Mörderinnen gelten.

Die Union hat bereits einen Antrag zur Ergänzung des Mordtatbestands in den Bundestag eingebracht. Die Diskussion über diesen Vorschlag könnte einen wichtigen Schritt in Richtung einer gerechteren Behandlung von Partnerschaftsgewalt darstellen. Es bleibt jedoch abzuwarten, wie die Ampel-Koalition auf diesen Vorschlag reagiert und ob sie bereit ist, die notwendigen Änderungen vorzunehmen.

Der gesellschaftliche Diskurs

Die Debatte über Partnerschaftsgewalt und Femizide ist oft von einem identitätspolitischen Duktus geprägt, der die Diskussion komplizierter macht. Um Frauen besser zu schützen, ist ein sachlicher und differenzierter Umgang mit den Begriffen notwendig. Eine klare Definition und Unterscheidung zwischen Femizid und Beziehungstat könnte dazu beitragen, die Wahrnehmung von Gewalt gegen Frauen zu schärfen und die rechtlichen Rahmenbedingungen zu verbessern.

Insgesamt ist es entscheidend, dass die Gesellschaft und die Politik die verschiedenen Facetten von Partnerschaftsgewalt anerkennen und angehen. Nur durch eine differenzierte Betrachtung der Motivationen und Umstände können wir effektive Maßnahmen entwickeln, die Frauen vor Gewalt schützen und die Täter zur Rechenschaft ziehen.

Die Diskussion um Partnerschaftsgewalt und Femizide ist ein wichtiges gesellschaftliches Thema, das nicht nur rechtliche, sondern auch kulturelle und soziale Dimensionen hat. Eine umfassende Auseinandersetzung ist notwendig, um langfristige Lösungen zu finden und die Sicherheit von Frauen in Partnerschaften zu gewährleisten.

Quellen: F.A.Z., dpa, andere Medienberichte.

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