25.10.2024
Wahlkampfmenüs Symbolpolitik vom Teller

Kulinarik und Wahlkampf: Zeige mir, was du isst

Essen ist weit mehr als nur Nahrungsaufnahme. Es ist Ausdruck von Kultur, Identität und kann, wie auch im amerikanischen Wahlkampf deutlich wird, als strategisches Kommunikationsmittel eingesetzt werden. Kandidaten präsentieren sich nicht nur durch politische Reden, sondern auch durch sorgfältig inszenierte kulinarische Vorlieben, die symbolische Botschaften an die Wählerschaft senden. Wie Daniela Wawra in der FAZ (25.10.2024) beschreibt, wird Essen im US-Wahlkampf gezielt instrumentalisiert, um Persönlichkeit, Werte und Zugehörigkeit zu vermitteln.

Eiscreme, Fast Food und die Inszenierung des "Jedermann"

Joe Bidens Vorliebe für Eiscreme ist legendär. Eiscreme, das "comfort food" schlechthin, weckt positive Kindheitserinnerungen und verkörpert Nostalgie, soziale Verbundenheit und Unbeschwertheit. In der amerikanischen Kultur, so Wawra in der FAZ, gilt Eiscreme als etwas, das jeder mag und auf das sich alle einigen können. Dieses Bild des zugänglichen "Jedermann" soll Wähler emotional ansprechen.

Doch die Symbolik der Eiscreme kann auch negativ ausgelegt werden. Die Assoziation mit Kindheit birgt die Gefahr, dem Politiker kindliche Eigenschaften zuzuschreiben. In den sozialen Medien kursieren Anti-Biden-Memes, die Eiscreme mit geistiger Schwäche in Verbindung bringen. Hier wird die Ambivalenz der Symbolik deutlich: Was Nähe suggerieren soll, kann auch zum Angriffspunkt werden.

Neben Eiscreme setzte Biden auch auf den Besuch von Fast-Food-Restaurants, um sich als modern und altersgemäß zu präsentieren. Die Auswahl der Lokalitäten, von Bubble-Tea-Läden bis zu mexikanischen Restaurants, zielte darauf ab, spezifische Wählergruppen anzusprechen.

Fast Food als populistisches Statement

Donald Trump gilt als Meister des politischen Fast Foods. Seine Vorliebe für Hamburger, frittiertes Hähnchen und andere Snacks unterstreicht seine Positionierung als Mann des Volkes, der sich von den Eliten abgrenzt und für traditionelle amerikanische Werte steht. "Mit einem Burger von McDonald’s weiß man genau, was man bekommt", so Trump – eine Botschaft, die auch für seine Kandidatur gilt. Gleichzeitig setzt Trump, wie auch in seiner Rhetorik, auf Polarisierung. So bediente er sich laut einem Bericht der Frankfurter Rundschau (13.09.2024) xenophober Behauptungen über die Essgewohnheiten haitianischer Einwanderer, um eine bestimmte Gruppe auszugrenzen und zu dämonisieren.

Gesunde Ernährung und kulturelle Vielfalt

Kamala Harris verfolgt eine andere kulinarische Strategie. Mit ihren Frühstücksgewohnheiten – Müsli mit Mandelmilch und Tee mit Honig – signalisiert sie Gesundheitsbewusstsein. Ihr Lieblingsgericht, das kreolische Gumbo, steht für kulturelle Vielfalt und Inklusion. In ihren "Cooking with Kamala"-Videos präsentiert sie sich als authentische und bodenständige Politikerin, die Werte wie Familie und Gemeinschaft hochhält. Gleichzeitig versucht Harris, durch den Konsum von Fast Food und Snacks, dem Vorwurf entgegenzuwirken, zu feminin oder elitär zu sein. Wie die NZZ (10.01.2021) in einem Artikel über Food-Blogger berichtet, ist die eigene Ernährungsweise heutzutage oft ein Statement über die eigene Individualität und den eigenen Wertekanon.

Essen als "knallhartes" politisches Thema

Essen ist ein "knallhartes" politisches Thema, wie Anton Hofreiter (Grüne) in einem Interview mit der taz (14.06.2015) betont. Es geht um nachhaltige Nahrungserzeugung, knappe Ressourcen und die Sicherung der Lebensgrundlagen. Die Frage, was wir essen, hat weitreichende Folgen für Umwelt, Tierwohl und soziale Gerechtigkeit. Hofreiter plädiert für Mindeststandards in der Lebensmittelproduktion und eine verstärkte Nachfrage nach Produkten, die diesen Standards entsprechen.

Die Beispiele aus dem amerikanischen Wahlkampf zeigen, wie Essen im politischen Kontext instrumentalisiert werden kann, um bestimmte Botschaften zu vermitteln und Wählergruppen anzusprechen. Von Eiscreme bis Fast Food, von gesunder Ernährung bis zur kulturellen Vielfalt – jedes Gericht kann zum Symbol werden und Teil einer größeren politischen Erzählung.

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