16.10.2024
Splitter von der Frankfurter Buchmesse Tag 1

„So, ihr Lieben, herzlich willkommen auf der Frankfurter Buchmesse, schön, dass Sie alle da sind.“ Bärbel Schäfers Begrüßung samt Wechsel vom Du zum Sie passt ganz gut, denn ihr Gast auf der Literaturbühne von ARD, ZDF und 3sat, Jürgen Trittin, wirkt mal wie ein etwas koketter Kumpel, mal wie ein Beinahe-Elder-Statesman. Wie die F.A.Z. berichtet, hat Jürgen Trittin kürzlich seine Memoiren „Alles muss anders bleiben“ veröffentlicht und zeigt nun auf der Frankfurter Buchmesse, dass er sowohl tiefgründige Aussprüche als auch lockere Boomer-Pointen beherrscht. „Wir wollen jetzt den Verbrenner hochhalten, ich warte darauf, wann CDU und CSU sagen, das Einzige, was gegen Tiktok und Instagram noch hilft, sind bessere Faxgeräte.“ Der ehemalige Bundestagsabgeordnete der Grünen redet über Dosenpfand, die Gefahren des Rassismus und Madeleine (gesprochen: Männlein) Albright. Und obwohl das alles überraschungsfrei bleibt, hört man ihm gerne zu. span.

Wie in den vergangenen Jahren präsentierte der Europäische Verlegerverband auch dieses Jahr zum Auftakt der Frankfurter Buchmesse Zahlen zum europäischen Buchmarkt. Der Nettoumsatz beträgt nach F.A.Z. Informationen nach langer Talfahrt und rasantem Anstieg von 2020 (Covid-Epidemie) an mit 24,4 Milliarden Euro ungefähr wieder so viel wie 2007 (allerdings nur, wenn man die Inflation nicht ins Spiel bringt). Damit dürfte die Buchbranche der umsatzstärkste kulturindustrielle Sektor in Europa sein. Deutschland steht dabei mit 6,5 bis sieben Milliarden Euro an der Spitze.

Eine Tendenz der Wiedererstarkung der Buchhandlungen hält an, die Umsätze von vor 2019 sind aber nicht erreicht. Gedruckte Bücher bleiben mit etwa 84 Prozent Marktanteil dominant. Während E-Books keine Zuwächse verzeichnen, legen Audioformate zu, insbesondere in den auffällig stark digitalisierten Märkten skandinavischer Länder. Im europäischen Vergleich bekommt Deutschland ein moderates Wachstum attestiert. hmay.

Ein Escape-Room zu Goethes „Italienischer Reise“? Wem oder was soll man denn dort „entkommen“? Wie die F.A.Z. berichtet, war es beim Dichter 1786 die Weimarer Hofgesellschaft. Der Escape-Room auf dem Frankfurter Paulsplatz soll aber seinem Zimmer in der Via del Corso nachempfunden sein, und in Rom ging es Goethe so gut, dass er seine Rückkehr nach Deutschland immer weiter aufschob (ein Wunsch, den heutige Italienreisende nachvollziehen können, deren Arbeitgeber nur leider oft kein gütiger Herzog ist). Weil der kleine Bungalow mit Toilettentisch, Kanapee und Staffelei an ein Italienerlebnis dann aber doch nicht ganz heranreicht, macht man sich nach ein paar Minuten daran, das Zimmer nach Hinweisen zu sichten, die einem den Weg zum befreienden Schlüssel weisen können. Goethe-Kenntnisse braucht man dabei kaum, eher Intuition und spielerisches Geschick. Auf besonders findige Besucher warten 150 Freikarten für einen Messe­besuch am Sonntag. kolt.

Jedes Jahr füllt das wechselnde Gastland auf der Buchmesse einen großen Raum, um das Land mit seiner Literatur vorzustellen. Bisweilen war dieser Gastland­pavillon gefährlich nah an Tourismuswerbung angesiedelt, wenn auf riesigen Monitoren Naturschönheiten projiziert wurden; andere Länder fegten den Raum leer und konzentrierten sich auf lange Bücherregale. Die meisten aber bezogen den herr­lichen Blick von dort oben auf den Trubel der Agora zwischen den Hallen ein.

Italien, das diesjährige Gastland, hat sich seine eigene Piazza gebaut: ein abgedunkelter, von weißen Säulen umkränzter Raum im Raum, davon abgehend eine Reihe von Kabinetten, an der Decke funkelnde Lichter. Die Kabinette erinnern an Machiavelli und an die Schönheiten Pompejis, Italiens Buchmarkt zeigt seine Früchte. Nur der Blick nach draußen ist diesmal komplett versperrt. Die volle Aufmerksamkeit der Besucher möchte dieses Gastland für sich. Wer kann es ihm verdenken? spre.

Quelle: span, hmay, kolt, spre

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