Der menschliche Drang nach Wissen existiert parallel zum Wunsch, bestimmte Dinge nicht zu wissen. Aristoteles, wie Mark Lilla in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ) vom 07.12.2024 ausführt, betonte den natürlichen Wissensdurst des Menschen. Gleichzeitig zeigt die Geschichte aber auch das menschliche Bedürfnis nach Unwissenheit, welches bisweilen vehement verteidigt wird. In bestimmten historischen Momenten gewinnt die Leugnung von Fakten die Oberhand und verbreitet sich beinahe wie ein unaufhaltsames psychologisches Virus. Lilla argumentiert, dass wir uns gegenwärtig in einer solchen Phase befinden.
Die Präsidentschaft Donald Trumps und der damit einhergehende Aufstieg populistischer Bewegungen haben dieses Phänomen deutlich sichtbar gemacht. Wie der WDR am 02.11.2024 berichtete, hält sich Trumps Anhängerschaft trotz erwiesener Lügen und Falschdarstellungen hartnäckig. Viele Wähler sehen in ihm einen Vertreter ihrer, insbesondere wirtschaftlichen, Interessen. Ein tiefes Misstrauen gegenüber etablierten politischen Akteuren und Institutionen spielt hierbei eine zentrale Rolle und wird durch die Verbreitung von Verschwörungstheorien, wie beispielsweise der Behauptung eines Wahlbetrugs, weiter verstärkt.
Trumps Angriffe auf Eliteuniversitäten, über die die Tagesschau am 05.12.2024 berichtete, illustrieren den in den USA tobenden Kulturkampf. Er kritisiert die Universitäten als zu linksliberal und versucht, Förderprogramme für Minderheiten zu blockieren. Die Universitäten sehen ihre Existenz bedroht, da sie durch potenzielle Steuernachteile und drohende Klagen erhebliche finanzielle Verluste befürchten.
Die Frage nach Wahrheit und Realität gewinnt in diesem Zusammenhang besondere Bedeutung. Ein Essay von Colin von Negenborn auf der Webseite der Akademie der Wissenschaften in Hamburg (awhamburg.de) vom 24. Februar 2023 analysiert Trumps Amtseinführung 2017 aus sprachphilosophischer Perspektive. Anhand der Diskussion um „alternative Fakten“ untersucht von Negenborn die Konzepte von Wahrheit und Realität und bezieht sich dabei auf John Searles Werk „The Construction of Social Reality“. Searles Unterscheidung zwischen ontologischer und epistemischer Subjektivität und Objektivität bietet ein differenziertes Modell zur Beschreibung sozialer Wirklichkeit.
Die Attraktivität der Unwissenheit, die Verlockung simpler Erklärungsmuster und die Ablehnung komplexer Zusammenhänge sind Phänomene, die nicht nur in den USA, sondern global zu beobachten sind. Michael Bröning, Leiter des Büros der Friedrich-Ebert-Stiftung in New York, argumentierte im IPG-Journal am 20.05.2016, der Aufstieg Trumps sei ein Symptom für das Versagen des "Immunsystems der öffentlichen Hygiene". Die andauernde Empörung über vergleichsweise harmlose Verstöße gegen politische Regeln habe die Gesellschaft abgestumpft und die rhetorischen Mittel gegen tatsächliche Demagogen unwirksam gemacht.
Auch Amnesty International beleuchtete in seinem Journal vom 01.10.2024 die Bedrohung des Rechtsstaats durch Trumps Präsidentschaft. Der Sturm auf das Kapitol am 6. Januar 2021 wird als Beispiel für die Gewaltbereitschaft einiger Anhänger angeführt. Die Rolle von Milizen und religiösen Extremisten in diesem Zusammenhang wird ebenfalls betont.
Quellen: