Die Schriftstellerin Zoë Jenny, Tochter des verstorbenen Verlegers Matthyas Jenny, gewährte der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ) am 03.11.2024 ein Interview, in dem sie über ihren Vater, dessen Leben im literarischen Umfeld und ihre eigene Kindheit im linken Milieu der 1970er-Jahre spricht. Ein zentrales Thema des Gesprächs ist die Präsenz der RAF im Umfeld ihres Vaters.
Ausgangspunkt des Interviews in der FAZ ist die schiere Masse an Büchern, die Zoë Jenny von ihrem Vater geerbt hat. „20.000 Bücher“, so Jenny zur FAZ, füllen ihre Garage und stellen eine logistische Herausforderung dar. Die FAZ berichtet von Jennys Schwierigkeiten, die Bücher zu sortieren und unterzubringen, da Bibliotheken und andere Einrichtungen die Schenkungen ablehnen.
Die Bücherberge, so Jenny in der FAZ, eröffnen ihr aber auch einen einzigartigen Einblick in das Leben ihres Vaters. Sie findet alte Ausgaben von Klassikern, Briefe aus seinen Reisen entlang der Hippie Trails in den 1960er-Jahren und Dokumente aus seiner Zeit als Betreiber des Poesietelefons. Wie die FAZ weiter berichtet, förderte Matthyas Jenny auch zahlreiche, heute vergessene Autoren in seinem Verlag „Nachtmaschine“.
Neben literarischen Schätzen entdeckte Zoë Jenny auch politische Schriften, die das linke Milieu der damaligen Zeit widerspiegeln. „Stadtguerilla“ von Carlos Marighella, Maos kleines rotes Buch und Schriften zur antiautoritären Erziehung, wie die FAZ berichtet, gehörten zum Standardrepertoire. Matthyas Jenny unterstützte auch die Punk-Bewegung und stellte seine Druckmaschine für politische Pamphlete zur Verfügung, unter anderem für die Ökoterroristen der Gruppe 007, die laut FAZ für einen der größten Stromausfälle in der Schweiz verantwortlich waren.
Im Interview mit der FAZ erzählt Zoë Jenny von ihrer Kindheit inmitten dieser politisch aufgeladenen Atmosphäre. Die Fahndungsplakate der RAF-Terroristen waren allgegenwärtig. In einem anderen Artikel in der "Die Presse" vom 19.07.2024 berichtet Zoë Jenny von einem prägenden Erlebnis: Ihr Vater habe ihr verboten, den Dachboden zu betreten. Dort, so erfuhr sie erst 40 Jahre später, versteckte sich der RAF-Terrorist Christian Klar.
Die FAZ betont, dass Zoë Jennys Buch über ihren Vater nicht als Abrechnung mit der 68er-Generation gedacht war, sondern aus dem Bedürfnis entstand, die Erfahrungen ihrer Kindheit zu verarbeiten. Wie die NZZ in einem Kommentar vom 07.09.2023 anmerkt, neigt die Linke dazu, Andersdenkende auszugrenzen. Im Kontext des Interviews mit Zoë Jenny wird deutlich, wie komplex und vielschichtig die damalige Zeit war und wie stark politische Überzeugungen das private Leben prägten.
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