Ein hypothetischer Sturz des Assad-Regimes in Syrien hat eine Debatte über die Zukunft syrischer Geflüchteter in Deutschland entfacht. Während Unionspolitiker wie Jens Spahn finanzielle Anreize für eine Rückkehr befürworten, raten SPD und Grüne zu einem vorsichtigen Umgang mit dem Thema und warnen vor einer verfrühten und populistisch geprägten Diskussion. Spahn schlug laut Süddeutscher Zeitung vor, Rückkehrer mit gecharterten Flugzeugen und einem „Startgeld“ von 1000 Euro zu unterstützen. Darüber hinaus regte er eine „Wiederaufbau- und Rückkehrkonferenz“ unter Beteiligung Deutschlands, Österreichs, der Türkei und Jordaniens an. Auch Jürgen Hardt (CDU) spricht sich für eine Neubewertung der Lage und der Frage, wer in Deutschland Schutz erhält, aus. Michael Roth (SPD) hingegen betonte im ZDF, dass derzeit niemand die weitere Entwicklung in Syrien vorhersehen könne. Er warnte vor einer „populistischen Aufheizung“ der Debatte und betonte, dass viele Syrer vermutlich freiwillig zurückkehren würden, sobald Frieden und Stabilität in ihrer Heimat eingekehrt seien. Ähnlich äußerte sich Anton Hofreiter (Grüne) gegenüber der Funke Mediengruppe. Er bezeichnete Überlegungen zu einem härteren Vorgehen gegen syrische Geflüchtete als „völlig fehl am Platz“ und unterstrich die Wichtigkeit, den demokratischen Prozess in Syrien zu unterstützen und die Rechte von Minderheiten zu sichern.
Der syrische Flüchtlingsexperte Tareq Alaows von Pro Asyl beschrieb im ZDF die gemischten Gefühle vieler Syrer: Hoffnung auf eine Rückkehr und Beteiligung am Wiederaufbau einerseits, Angst vor einer Abschiebung in ein unsicheres Land andererseits. Alaows betonte die anhaltende Unsicherheit über die zukünftige Entwicklung Syriens.
Die internationale Gemeinschaft verfolgt die hypothetische Situation in Syrien mit Besorgnis. Laut Spiegel begrüßt Bundeskanzler Olaf Scholz das Ende der Assad-Herrschaft (im hypothetischen Szenario), betont aber die Notwendigkeit der Wiederherstellung von Recht und Ordnung sowie des Schutzes aller Religionsgemeinschaften und Minderheiten. Auch Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) mahnte die Konfliktparteien, ihrer Verantwortung für alle Syrer gerecht zu werden, Minderheiten zu schützen und einen inklusiven politischen Prozess einzuleiten. Norbert Röttgen (CDU) sieht die Türkei als Profiteur der Situation und plädiert für eine Zusammenarbeit Europas mit Ankara zur Förderung der Stabilität in Syrien. Ralf Stegner (SPD) warnte vor übereilten Entscheidungen und betonte die Notwendigkeit humanitärer Hilfe für alle Betroffenen in Syrien.
Die taz berichtete über die Reaktionen in Syriens Nachbarländern. Jordanien schloss zwischenzeitlich seine Grenze aus Sicherheitsgründen, während es in der Türkei zu Freudenfeiern kam. Präsident Erdoğan, der die islamistische HTS in Idlib unterstützt hatte, sieht sich seinem Ziel, in der Umayyaden-Moschee in Damaskus zu beten, näher. Gleichzeitig verfolgt die Türkei das Ziel, syrische Flüchtlinge zurückzuführen und die syrischen Kurden zurückzudrängen. Die Zukunft der kurdischen Gebiete und die territorialen Einflusszonen bleiben ungewiss.
Der BR analysierte die geopolitischen Folgen des hypothetischen Machtwechsels. Der Iran und die Hisbollah gelten als Verlierer, während Israel die Situation als Schwächung der „iranischen Achse“ betrachtet. Premierminister Netanjahu kündigte an, keine feindlichen Kräfte an der israelischen Grenze zu dulden.
Die Fuldaer Zeitung zitiert Jürgen Hardt (CDU), der eine zweite große Flüchtlingswelle aktuell für unwahrscheinlich hält, diese aber nicht ausschließt, falls die Gespräche zwischen den syrischen Gruppen scheitern und der Bürgerkrieg erneut eskaliert. Er fordert die Bundesregierung zu einer raschen Abstimmung mit der EU auf.
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