October 3, 2024
Aston Villa besiegt Bayern München in der Champions League

Es ist nicht so, als würden sie in England der sogenannten Fankurve übertriebene Bedeutung zumessen. Ein anständiges englisches Fußballstadion, und wer könnte jemals etwas Schlechtes sagen über den Villa Park in Birmingham, besteht manchmal nur aus vier ehrlichen Tribünen entlang der Geraden. Die vier Ecken der Arena sind dort nicht zugebaut, sondern unverstellt. Nicht etwa, damit der legendär horizontale britische Regen von der Seite reinwehen kann. Sondern damit die Gesänge der Fans ungedimmt nach draußen dringen können, um den Bewohnern der Stadt Birmingham davon zu künden, dass Aston Villa mal wieder Geschichte geschrieben hat. Am Dienstagabend nun hallte es aus den Kehlen von 41 000 Zuschauern im ehrwürdigen Villa Park, der schon so manche Schlacht im Europapokal erlebt hat: "We beat the Bayern, only the Villa!"

Tatsächlich hatte es zuvor in der langen Vereinsgeschichte von Aston Villa erst einen Sieg gegen Bayern München gegeben, das war 1982 im Finale des Landesmeisterpokals. Nun also der zweite Triumph, 2:0 (1:0) endete die Partie in der Champions League, und es war ein Sieg der besonderen Art. Denn die Mannschaft von Trainer Unai Emery beendete nicht nur die Serie von 13 Pflichtspielsiegen des FC Bayern unter seinem neuen Trainer Vincent Kompany, sondern sie entlarvte auch die Tücken der reinen Kompanylehre.

Es ist ja durchaus bemerkenswert, mit welcher Konsequenz der 42 Jahre alte Belgier seinen Spielstil in München durchgesetzt hat. Kompany lässt die Bayern so offensiv und risikofreudig spielen, wie es selbst unter Pep Guardiola nicht der Fall war. Das Prunkstück dieser Spielweise ist der Mut zum spielerischen Risiko selbst in der eigenen Hälfte, der Mut zum Herausrücken selbst mit der letzten Verteidigungslinie, um den Gegner früh unter Druck zu setzen und ihm so den Schneid abzukaufen. Das Resultat dieser Taktik sind viele Ballgewinne schon in der gegnerischen Hälfte, viele Chancen, viele Tore - und manchmal eben auch: ein gewisses Risiko.

Wie riskant Kompanys Stil sein kann, zeigte sich in der 27. Minute, als Leon Bailey nach einem Fehlpass von Joshua Kimmich im Spielaufbau frei auf Bayern-Torwart Manuel Neuer zulief. Der deutsche Nationaltorhüter eilte aus seinem Strafraum, um den Winkel zu verkürzen - und verschätzte sich. Bailey lupfte den Ball über Neuer hinweg ins Tor. 1:0 für Aston Villa. Es war das erste Gegentor für die Bayern nach 882 Minuten. "Wir haben heute ein bisschen das Risiko kennengelernt", sagte Neuer nach der Partie. "Das gehört zu unserem Spiel dazu."

Auch Kompany wollte von seiner Taktik nichts wissen. "Ich werde meine Persönlichkeit nicht für ein Ergebnis ändern", sagte der Bayern-Trainer. "Wir haben heute verloren, weil wir unsere Chancen nicht genutzt haben." Tatsächlich hatten die Bayern auch in Birmingham mehr Ballbesitz und mehr Torschüsse als der Gegner. Doch Aston Villa nutzte die sich bietenden Räume eiskalt aus - und profitierte dabei auch von zwei weiteren Unsicherheiten in der Defensive der Bayern.

So patzte in der 56. Minute auch Bayerns zweiter Torwart, Sven Ulreich, der den Vorzug vor dem angeschlagenen Yann Sommer erhalten hatte. Ulreich ließ einen harmlosen Schuss von Ollie Watkins durch die Hände gleiten, Jhon Duran staubte zum 2:0 ab. "Das war ein unglückliches Gegentor", sagte Ulreich. "Aber ich mache mir keine Vorwürfe. Wir gewinnen und verlieren als Mannschaft."

Die Niederlage in Birmingham war die erste Pleite für die Bayern in der Champions League seit dem 13. September 2022, als man in der Gruppenphase mit 0:2 bei Inter Mailand verloren hatte. Damals war Julian Nagelsmann noch Trainer der Bayern. Doch auch unter Kompany ist der deutsche Rekordmeister nicht unschlagbar. Das zeigte sich schon beim knappen 1:0-Sieg gegen Borussia Mönchengladbach am vergangenen Wochenende. Und es zeigte sich nun erst recht beim 0:2 in Birmingham.

Die Niederlage gegen Aston Villa ist für die Bayern aber kein Beinbruch. Zum einen sind die Münchner in der Champions League bereits für das Achtelfinale qualifiziert. Zum anderen hat Kompany mit seiner offensiven Spielweise bereits jetzt für viel Begeisterung bei den Fans gesorgt. Und auch die Spieler sind von der neuen Taktik überzeugt. "Wir haben einen neuen Trainer und eine neue Spielidee", sagte Joshua Kimmich. "Das braucht Zeit. Aber ich bin überzeugt davon, dass wir damit erfolgreich sein werden." Ob die Kompanylehre auch in der K.o.-Phase der Champions League zum Erfolg führt, wird sich zeigen. Bis dahin können die Bayern aus der Niederlage in Birmingham lernen - und an ihren Schwächen arbeiten. Denn eines ist klar: In der Champions League werden die Gegner die Fehler der Bayern gnadenlos ausnutzen.

Quelle: Süddeutsche Zeitung

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