Ein belgisches Gericht hat den Staat wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit während der Kolonialzeit im Kongo verurteilt. Der Fokus liegt dabei auf der systematischen Diskriminierung und Misshandlung von sogenannten „Mischlingskindern“, geboren aus Beziehungen zwischen belgischen Kolonialbeamten und kongolesischen Frauen. Wie die Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) berichtet, wurden diese Kinder ihren Familien entrissen und in kirchlichen Heimen untergebracht, wo sie ihrer Herkunft entfremdet werden sollten und Misshandlungen erlitten. Das Urteil gilt als Präzedenzfall und erfährt, laut FAZ, große öffentliche Aufmerksamkeit, da Belgien sich zunehmend kritisch mit seiner Kolonialvergangenheit auseinandersetzt.
Fünf Frauen, die als Kinder Opfer dieser Praxis wurden, erhalten je 50.000 Euro Entschädigung, wie der Tagesanzeiger berichtet. Eine der Klägerinnen, Monique Bitu Bingi, wurde im Alter von vier Jahren von ihrer Familie getrennt und in ein Kloster gebracht. Sie und die anderen Frauen erlitten in den Heimen schwere körperliche und seelische Traumata. „Wir wurden seelisch und körperlich zerstört“, wird Bitu Bingi im Tagesanzeiger zitiert.
Der Tagesanzeiger erläutert weiter, dass die belgische Kolonialregierung in den 1950er Jahren eine strikte Rassentrennung im Kongo durchsetzte. Die „Mischlingskinder“ wurden als Bedrohung für dieses System wahrgenommen und deshalb isoliert. Die katholische Kirche unterstützte diese Politik durch die Unterbringung der Kinder in ihren Heimen. Das Gericht wertete die Handlungen des belgischen Staates als Verbrechen gegen die Menschlichkeit – ein bedeutender Schritt in der juristischen Aufarbeitung der Kolonialgeschichte.
Wie der Tages-Anzeiger berichtet, gestand der belgische Staat die „gezielte Segregation“ und die „Zwangsumsiedlungen“ erst 2018 ein. Der damalige Premierminister Charles Michel entschuldigte sich im Namen des Staates, eine völkerrechtliche Verantwortung wurde jedoch zunächst abgelehnt. Das Urteil des Berufungsgerichts stellt nun einen wichtigen Schritt in der Anerkennung der Verantwortung Belgiens für die begangenen Verbrechen dar.
Das Projekt "Aufwachsen in Westfalen 1945-1965" des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe (LWL) zeigt, dass auch in Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg Kinder von Besatzungssoldaten geboren wurden, die Diskriminierungen und gesellschaftlicher Stigmatisierung ausgesetzt waren. Obwohl der historische Kontext unterschiedlich ist, verdeutlicht die Forschung des LWL die Komplexität der Thematik von Kindern von Besatzungsmächten und die damit verbundenen gesellschaftlichen Reaktionen. Das Projekt untersucht unter anderem die Reaktionen der Besatzungsmächte, der deutschen Behörden und der Öffentlichkeit auf die Existenz dieser Kinder und die Frage nach deren Möglichkeiten eines „normalen“ Aufwachsens.
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