19.10.2024
Wohnraumkrise in Deutschland: Zwischen hohen Kosten und regulatorischen Hürden
Die Bemühungen um bezahlbaren Wohnraum in Deutschland sehen sich einer ernsten Herausforderung gegenüber. Das Frühjahrsgutachten des Rates der Immobilienweisen, welches von Bundesbauministerin Klara Geywitz (SPD) entgegengenommen wurde, malt ein düsteres Bild der derzeitigen Lage im Bauwesen. Die Experten des Zentralen Immobilien Ausschusses (ZIA) erklärten in ihrer Analyse, dass das Bauen in Deutschland aktuell nicht mehr wettbewerbsfähig sei und die Krise weit tiefer gehe, als viele annehmen würden. Die Situation für Bauherren und Entwickler ist prekär: Hohe Kosten und staatliche Abgaben führen dazu, dass Neubauten nur bei außergewöhnlich hohen Durchschnittsmieten eine schwarze Null schreiben können. Andreas Mattner, Präsident des ZIA, fasste es prägnant zusammen: „Wer heute baut, geht bankrott.“ Dieses Statement ist ein alarmierender Hinweis auf die Schwierigkeiten, die sich in der Branche auftun. Die Immobilienexperten sehen die Probleme unter anderem in den staatlich bedingten Kosten, die bei der Erstellung von Wohnraum in Deutschland anfallen. Hierzu zählen neben der Grunderwerbsteuer auch kommunale Abschöpfungsprogramme, Umsatzsteuer, technische Baubestimmungen sowie energetische Anforderungen. Der Rat der Immobilienweisen forderte daher eine Senkung dieser staatlich bedingten Abgaben. Die Analyse weist auf eine Staatsquote von 37 Prozent hin, die Deutschland im europäischen Vergleich auf einen der Spitzenplätze setzt. Eine Senkung dieser Quote könnte laut den Experten zu einer signifikanten Reduzierung der Mieten führen, wodurch der Wohnungsbau wieder attraktiver würde. Ein weiterer kritischer Punkt ist die Grunderwerbsteuer. Die Bundesländer haben diese Steuer in der Vergangenheit mehrfach erhöht, was zusätzlich zu den bereits hohen Baukosten beiträgt. Bundesbauministerin Geywitz wies darauf hin, dass Bauinvestoren heute nicht in der Lage sind, über diese Steuer hinaus weitere öffentliche Leistungen wie Kitas und Straßen zu finanzieren. Sie mahnte die Länder, die Höhe der Grunderwerbsteuer zu überdenken und möglicherweise zu senken, um Bauinvestitionen zu erleichtern. Die Experten prognostizieren, dass ohne eine signifikante Veränderung der Rahmenbedingungen bis zum Jahr 2027 rund 830.000 Wohnungen in Deutschland fehlen könnten. Eine solche Entwicklung hätte weitreichende Konsequenzen für den Wohnungsmarkt und könnte die Wohnraumproblematik erheblich verschärfen. Die Baukosten und Finanzierungskonditionen stellen aktuell hohe Hürden dar, die auch durch politische Maßnahmen noch nicht entscheidend verbessert wurden. Das Ifo-Institut, Teil des Forschungsnetzwerks „Euroconstruct“, wies darauf hin, dass die Zahl der jährlich neu gebauten Wohnungen bis 2026 um bis zu 35 Prozent im Vergleich zum Vorjahr zurückgehen könnte – ein Rückgang, der in Europa nur von Schweden übertroffen wird. Die Immobilienweisen sehen jedoch auch Hoffnungsschimmer und begrüßen das neue Förderprogramm des Bundes für klimafreundlichen Neubau im Niedrigpreissegment. Sie schlagen vor, dass ein KfW-Programm zur Senkung der Marktzinsen auf zwei Prozent deutlich mehr neue Wohnungen generieren könnte. Zudem könnte ein vorübergehender Verzicht auf die Grunderwerbsteuer oder kommunale Abschöpfungen als „Superturbo“ für die Branche dienen und zu einer Wende auf dem Wohnungsmarkt beitragen. Die aktuellen Umstände im Bauwesen sind somit eine komplexe Mischung aus hohen Kosten, regulatorischen Hürden und steuerlichen Belastungen. Die Lösung der Wohnungskrise erfordert ein konzertiertes Vorgehen von Bund, Ländern und Kommunen sowie eine Überarbeitung der bisherigen Förderpolitik. Nur so kann vermieden werden, dass der Satz „Wer heute baut, geht bankrott“ zur bitteren Realität für viele Bauherren und Investoren in Deutschland wird.
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