Der Stuttgarter Wirtschaftsanwalt Eckart Seith muss sich erneut in Zürich einem Gerichtsverfahren stellen. Die Schweizer Staatsanwaltschaft wirft ihm Wirtschaftsspionage und Verletzung des Bankgeheimnisses vor und fordert eine mehrjährige Gefängnisstrafe. Seith, der in Deutschland als Whistleblower im Cum-ex-Skandal gilt, soll interne Dokumente der Bank J. Safra Sarasin erlangt und an deutsche Behörden weitergegeben haben. Am Montagmorgen versammelten sich Unterstützer Seiths, darunter Anne Brorhilker, Co-Geschäftsführerin von Finanzwende, und Vertreter von Transparency International, vor dem Zürcher Obergericht und forderten seinen Freispruch, wie die Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) berichtet.
Die Vorwürfe gehen auf das Jahr 2013 zurück. Seith vertrat damals einen Mandanten, der durch Cum-ex-Geschäfte, die von der Bank J. Safra Sarasin abgewickelt wurden, 50 Millionen Euro verloren hatte. Die Staatsanwaltschaft sieht in der Weitergabe der Bankunterlagen an die deutschen Behörden einen Rechtsbruch nach Schweizer Recht, berichtet die Süddeutsche Zeitung (SZ). Seith argumentiert hingegen, er habe lediglich Hinweise auf schwerwiegende Straftaten an die zuständigen Stellen gemeldet. "Wenn schwere Straftaten stattgefunden haben und ein Dritter davon erfährt und es den Behörden mitteilt, kann das doch nicht verwerflich sein", wird Seith vor der Verhandlung von der dpa laut Frankfurter Landeszeitung (FLZ) zitiert.
Die von Seith aufgedeckten Cum-ex-Geschäfte führten zu einem Milliardenschaden für den deutschen Fiskus. Durch komplexe Aktientransaktionen rund um den Dividendenstichtag wurde Kapitalertragsteuer mehrfach erstattet, obwohl sie nur einmal entrichtet worden war. In Deutschland laufen zahlreiche Verfahren gegen Beteiligte dieser Geschäfte, wie die Augsburger Allgemeine und die Wirtschaftswoche (WiWo) berichten. Anne Brorhilker, die ehemalige Leiterin der Cum-ex-Ermittlungen bei der Staatsanwaltschaft Köln, unterstützt Seith und unterstreicht seine wichtige Rolle bei der Aufdeckung des Skandals. Laut FAZ bezeichnete Brorhilker die Hinweise von Seith als ausschlaggebend für den Beginn der Ermittlungen und kritisiert die ihrer Meinung nach mangelhafte Aufarbeitung des Steuerskandals in Deutschland.
Seith wurde bereits 2019 in erster Instanz in Zürich vom Vorwurf der Wirtschaftsspionage freigesprochen, jedoch wegen Verletzung des Bankgeheimnisses verurteilt. Dieses Urteil wurde später aufgrund des Verdachts der Befangenheit des zuständigen Staatsanwalts aufgehoben. Das Verfahren wird nun neu aufgerollt, wie LTO berichtet. Seith erwartet einen Freispruch und argumentiert, ein Schuldspruch würde die Schweiz als sicheren Hafen für Finanzkriminalität erscheinen lassen, so dpa via FLZ. Boyens Medien berichten, dass das Gericht einen Antrag der Staatsanwaltschaft auf Sicherheitshaft für Seith abgelehnt hat.