Wanda Rutkiewicz, eine Pionierin des Höhenbergsteigens, bleibt bis heute eine rätselhafte Figur der Alpingeschichte. Wie die F.A.Z. berichtet, verschwand sie 1992 am Kangchendzönga, dem dritthöchsten Berg der Welt, unter mysteriösen Umständen. Der letzte Zeuge, der sie lebend sah, war Carlos Carsolio, der beim Abstieg vom Gipfel auf die Polin traf. Sie plante, in einer Eisnische zu biwakieren und am nächsten Tag den Gipfel zu erreichen – ohne Schlafsack, Kocher oder Verpflegung. Carsolio versuchte vergeblich, sie zum Abstieg zu bewegen. Die Regisseurin Eliza Kubarska, deren Dokumentarfilm „The Last Expedition“ sich mit Rutkiewiczs Leben und Verschwinden beschäftigt, kommentierte dies in der F.A.Z. mit den Worten: „Er [Carsolio] hat fast geweint, als er davon erzählte“.
Rutkiewicz war eine der bedeutendsten Frauen im Alpinsport des 20. Jahrhunderts. Wie Wikipedia berichtet, bestieg sie acht Achttausender und war die erste Europäerin auf dem Mount Everest. Sie organisierte Frauenexpeditionen, unter anderem an der Eiger- und Matterhorn-Nordwand, und bestieg den damals höchsten unbestiegenen Gipfel, den Gasherbrum III. Bergnews.com hebt hervor, dass sie damit zur Wegbereiterin des selbständigen Frauenalpinismus wurde.
Ihre Erfolge und ihre unabhängige, oft eigensinnige Art stießen jedoch auf Widerstände in der männerdominierten Bergsteigerszene. Kubarska betont in der F.A.Z., dass Rutkiewiczs Verhalten, das vielen Männern am Berg üblich war, als Frau auf Unverständnis stieß. Die taz beschreibt, wie einige ihrer männlichen Kollegen ihre Leistungen herunterspielten und ihre Persönlichkeit kritisierten. Vor ihrer Kangchendzönga-Expedition war ihre Lage schwierig: Die Besteigung der Annapurna wurde angezweifelt, sie hatte Probleme, Sponsoren und Kletterpartner zu finden.
Der Film „The Last Expedition“ beleuchtet auch Rutkiewiczs Privatleben. Der Unfalltod ihres Partners Kurt Lyncke am Broad Peak 1990 hatte sie schwer getroffen. Wie die F.A.Z. berichtet, fand Kubarska in Rutkiewiczs Tagebüchern Hinweise auf Erschöpfung und die Sehnsucht nach innerem Frieden. Bergundsteigen.com zitiert aus dem Film: „Ich bin immer auf der Suche“. Nach Lynckes Tod setzte sich Rutkiewicz das ambitionierte Ziel, die restlichen Achttausender in einem Jahr zu besteigen – „Karawane der Träume“ nannte sie das Projekt. Der Kangchendzönga sollte ihre dritte Station werden. Es wurde ihre letzte.
Ob Rutkiewicz am Kangchendzönga verunglückte oder sich, wie Gerüchte besagen, in ein tibetisches Kloster zurückzog, bleibt ungeklärt. Kubarska, die laut F.A.Z. Zeugen fand, die Rutkiewicz in einem Kloster gesehen haben wollen, sagt: „Ich liebe diese Idee“. Das Rätsel um ihr Verschwinden bleibt bestehen.
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