September 20, 2024
Debatte über Aktenvernichtung und Steuerkriminalität

Aufregung um „Akten schreddern“

Die Diskussion um das Schreddern von Akten im Kontext von Steuerkriminalität hat in den letzten Wochen an Intensität zugenommen. Im Zentrum steht das Bürokratieentlastungsgesetz (BEG IV), das von der Ampel-Regierung auf den Weg gebracht wurde. Justizminister Marco Buschmann (FDP) hatte bereits im März 2024 betont, dass der Abbau von Bürokratie ein zentrales Anliegen der aktuellen Legislaturperiode sei. Doch kurz vor der finalen Beratung im Rechtsausschuss des Bundestages regt sich Widerstand, insbesondere von der Bürgerbewegung Finanzwende.

Die Ko-Geschäftsführer von Finanzwende, Anne Brorhilker und Gerhard Schick, äußern ernsthafte Bedenken, dass die geplanten Änderungen die Aufklärung von „Cum-ex“- und „Cum-cum“-Fällen erheblich erschweren könnten. Diese Praktiken, die in der Vergangenheit von vielen Banken zur Steuervermeidung genutzt wurden, haben dem Staat Milliardenverluste beschert. Brorhilker warnt, dass die Täter durch die neuen Regelungen ermutigt werden könnten, ihre belastenden Dokumente zu vernichten. „Sobald das Gesetz in Kraft ist, werfen die ihre Schredder an“, sagt sie.

Kürzere Aufbewahrungsfristen als Problem

Das Gesetz sieht vor, die Aufbewahrungsfristen für Buchungsbelege und Rechnungen von zehn auf acht Jahre zu verkürzen. Diese Dokumente sind jedoch für Ermittler von entscheidender Bedeutung, insbesondere in komplexen Steuerstrafsachen. Kritiker der Reform, wie Brorhilker, bemängeln, dass die verkürzten Fristen im Widerspruch zu den verlängerten Verjährungsfristen für schwere Steuerhinterziehung stehen, die 2020 eingeführt wurden. „Es ist absurd, dass die Aufbewahrungsfristen kürzer sind als die Verjährungsfristen“, erklärt sie.

Im Rahmen der „Cum-ex“-Geschäfte konnten Banken und Investoren Kapitalertragssteuern mehrfach vom Fiskus zurückfordern, was zu erheblichen finanziellen Schäden führte. Bei „Cum-cum“-Transaktionen verliehen ausländische Aktienbesitzer ihre Wertpapiere an inländische Banken, um Steuervorteile zu erzielen. Schätzungen zufolge entgingen dem Staat zwischen 2005 und 2020 mindestens 28,5 Milliarden Euro.

Rückforderungen und politische Verantwortung

Die Rückforderung dieser Gelder gestaltet sich jedoch schwierig. Trotz einer Aufforderung des Bundesfinanzministeriums an die Länder, die unrechtmäßig ausgezahlten Steuergelder zurückzufordern, sind bisher nur marginale Summen an die Finanzämter zurückgeflossen. Bis Ende 2022 wurden Fälle mit einem Volumen von knapp sechs Milliarden Euro geprüft, jedoch lediglich 236 Millionen Euro rechtskräftig zurückgefordert.

Gerhard Schick fordert Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) auf, mehr Engagement zu zeigen. Er kritisiert, dass es an politischem Willen fehle, um die Aufklärung und Rückforderung der Gelder voranzutreiben. Die Bürgerbewegung Finanzwende hat eine Petition gestartet, um die umstrittenen Passagen des Gesetzes zu streichen und somit die Rückforderung von Steuergeldern nicht zu gefährden.

Reaktionen aus der Politik und der Gesellschaft

Die Kritik an den geplanten Änderungen kommt nicht nur von Finanzwende. Auch der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) hat sich gegen die verkürzten Aufbewahrungsfristen ausgesprochen. In einer Stellungnahme wird betont, dass diese Regelung die steuerlichen Verjährungsfristen unterlaufen könnte. Mindestens ein weiterer Spitzenverband hat ebenfalls Bedenken gegenüber dem Bundesjustizministerium geäußert.

Die Bundesregierung rechnet durch die verkürzten Fristen bereits im kommenden Jahr mit Steuerausfällen in Höhe von 200 Millionen Euro. Vor diesem Hintergrund wird die Forderung laut, den umstrittenen Passus aus dem Gesetz zu streichen, um nicht auf Milliarden Euro zu verzichten.

Fazit

Die Aufregung um das Schreddern von Akten und die damit verbundenen Änderungen im Bürokratieentlastungsgesetz verdeutlicht die Spannungen zwischen dem Ziel der Bürokratieabbau und der Notwendigkeit, Steuerkriminalität wirksam zu bekämpfen. Die Diskussion wird voraussichtlich auch in den kommenden Wochen und Monaten weitergeführt werden, insbesondere im Hinblick auf die bevorstehenden Abstimmungen im Bundestag.

Die Bürgerbewegung Finanzwende und andere Kritiker werden weiterhin darauf drängen, dass die Aufklärung von Steuervergehen nicht durch gesetzliche Änderungen behindert wird. Die kommenden Entscheidungen werden entscheidend dafür sein, wie der Staat in Zukunft mit Steuerkriminalität umgehen kann und ob die Rückforderung von unrechtmäßig ausgezahlten Steuergeldern tatsächlich vorangetrieben wird.

Quellen: F.A.Z.

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