October 5, 2024
Die Herausforderungen des DAX im internationalen Vergleich

Die meisten ETF-Sparpläne hierzulande laufen auf den MSCI World. Aus gutem Grund: Dort finden sich mit Apple, Microsoft und Nvidia Erfolgsgeschichten, die jeweils allein auf mehr Börsenwert kommen als alle börsennotierten Unternehmen in Deutschland zusammen. Die Frage nach der deutschen Antwort auf diese globalen Börsenlieblinge stellt sich immer drängender, denn ein Blick auf die Entwicklung des Deutschen Aktienindex (DAX) im Vergleich zu anderen Indizes wie dem amerikanischen S&P-500 offenbart eine gewisse Ernüchterung. Trotz Rekordhochs im DAX, die im bisherigen Jahresverlauf 2024 bereits 32 Mal gefeiert werden konnten, zeichnet sich ein Stimmungswandel ab. Die „Financial Times“ titelte am 5. Oktober 2024: „German investor euphoria fades as economy falters“ und auch in deutschen Medien ist die Favoritensuche in Deutschland mühsamer geworden, wie Daniel Mohr in der F.A.Z. am 5. Oktober 2024 feststellte.

Denn während der DAX seit 1988 von tausend Punkten auf über 19.000 Punkte kletterte und damit eine beachtliche Rendite von durchschnittlich acht Prozent pro Jahr erzielte, wirkt diese Zahl im internationalen Vergleich weniger glorreich. Der DAX profitiert hier von der Berücksichtigung der Dividenden. Betrachtet man nur die Kursentwicklung, schrumpft das Plus auf fünf Prozent. Der amerikanische S&P-500 hingegen kommt seit 1988 auf eine jährliche Rendite von neun Prozent – und das allein auf Basis seiner Kursentwicklung, ohne Dividenden.

Besonders die jüngere Vergangenheit des DAX gibt Anlass zur Sorge. Christian Kahler, Mitgründer und Fondsmanager von Kahler & Kurz Capital, spricht im Interview mit der F.A.Z. Klartext: „Wir halten uns ex­trem fern von Problemfällen. Der Dax ist in dieser Hinsicht fast schon eine Horror-Geschichte: Die Anleger nehmen sehr gerne die hohen Dividenden mit, der Kurs-Dax liegt aber nur leicht über dem Niveau von vor 24 Jahren.“ Tatsächlich stagniert der DAX seit seinem Hoch im Jahr 2000. Damals erreichte er 6266 Punkte, ein Wert, der erst 2015 wieder erreicht und seitdem nur geringfügig übertroffen wurde. Im Vergleich zu anderen Börsen, die sich nach dem Dot-Com-Crash deutlich schneller erholten, wirkt die Entwicklung des DAX beinahe schon dramatisch.

Besonders bitter: Noch immer notieren fünf DAX-Werte unter ihren Höchstständen aus dem Jahr 2000. Die Allianz liegt 28 Prozent unter ihrem damaligen Kurshoch, Qiagen 40 Prozent, Infineon trotz des aktuellen Chip-Booms sogar 64 Prozent. Die Telekom hinkt mit 75 Prozent noch deutlicher hinterher und die Commerzbank, liegt selbst nach den jüngsten Aktienkäufen der Unicredit noch immer 94 Prozent unter ihrem damaligen Rekordwert.

Doch nicht nur der Dot-Com-Crash hat im DAX tiefe Spuren hinterlassen. Die Finanzkrise 2007, der Dieselskandal 2015 und die überhastete Energiewende haben weitere Unternehmen in die Krise gestürzt und ihre Aktienkurse nachhaltig beschädigt. Die Deutsche Bank, Bayer, Eon und RWE – einst Aushängeschilder der deutschen Wirtschaft – sind heute nur noch Schatten ihrer selbst.

Auch die deutsche Automobilindustrie, lange Zeit Garant für Wirtschaftswachstum und Börsengewinne, hat an Strahlkraft verloren. Mercedes, BMW und VW – alle drei leiden unter den Folgen des Dieselskandals und der weltweiten Herausforderungen der Branche. Die Elektromobilität, die von vielen als große Chance für die deutsche Automobilindustrie gesehen wurde, wird mittlerweile von chinesischen Herstellern wie BYD dominiert.

Die niedrigen Bewertungen vieler deutscher Aktien, insbesondere im Automobilsektor, werden von einigen Experten zwar als Einstiegschance interpretiert. Doch die Zweifel an der Zukunftsfähigkeit vieler Unternehmen bleiben. Christian Kahler, Fondsmanager bei Kahler & Kurz Capital, bevorzugt Unternehmen mit hohen Kapitalrenditen, die in Relation zu ihrem Kapitaleinsatz hohe Gewinne erzielen. Deutsche Automobilhersteller wie VW erfüllen diese Kriterien nicht. „Die machen mit 17 Milliarden Euro zwar einen sehr ansehnlichen Gewinn, aber zu welchen Kosten: 390 Milliarden Euro Betriebskapital werden dafür eingesetzt“, so Kahler gegenüber der F.A.Z.. Die Rendite von gut vier Prozent, die VW erwirtschaftet, ist ihm schlichtweg zu gering.

Uwe Streich, Aktienstratege bei der Landesbank Baden-Württemberg, sieht die deutsche Automobilindustrie in einer „schwierigen Phase“. Ob sich die „deutsche Ingenieurskunst den Bedingungen der Autowelt von morgen anpassen kann“, sei fraglich. Die chinesische Konkurrenz habe aufgeholt und VW in China im Absatz bereits überholt. „Früher kamen 30 Prozent der operativen VW-Gewinne aus China, jetzt sind es nur noch 10 Prozent“, so Streich.

Die Zukunft des DAX bleibt ungewiss. Während einige Experten auf eine Erholung der Automobilindustrie und anderer angeschlagener Branchen hoffen, setzen andere auf wachstumsstarke Unternehmen aus den Bereichen Technologie, erneuerbare Energien und Gesundheit. Ob der DAX seinen Status als Spiegelbild der deutschen Wirtschaft behaupten kann, wird sich in den kommenden Jahren zeigen.

Quellen:

  • Mohr, Daniel: Trotz Rekordhoch: Jede Menge Horror im Dax. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 05.10.2024. https://www.faz.net/aktuell/finanzen/trotz-rekordhoch-jede-menge-horror-im-dax-110027089.html (abgerufen am 17.09.2024).
  • Financial Times: German investor euphoria fades as economy falters. 05.10.2024.
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