27.10.2024
Die letzten Hürden des Frankfurt Marathons

Die eindringlichen Rhythmen der Musik in der Festhalle lassen die vor Erschöpfung zitternden Körper der Läufer zusätzlich erbeben. Die im Halbdunkel kreisenden Lichter wirken auf manche irritierend. Doch die Festhalle setzt auch Kräfte frei bei denjenigen, die hier seit 20 Jahren am Ende des Frankfurt Marathons unter dem Jubel der Fans dem Ziel entgegenstreben. Auf dem roten Teppich, auf dem die Läufer die letzten 60 Meter absolvieren, geben manche noch mal Gas. Andere recken zumindest kurz die Hände in die Höhe oder ringen sich ein Lächeln ab. Direkt hinter dem Tor, das sich über der finalen Linie erhebt, bleiben die Ersten liegen. Helfer eilen herbei, richten die Entkräfteten auf, führen sie an die Gitter, wo sie Halt finden oder erneut auf den Boden sinken. „Geschafft“, dieser Gedanke zeichnet sich in vielen Gesichtern ab, während auf der Bühne bereits die Sieger der 41. Auflage der Traditionsveranstaltung geehrt werden.

Jene, die zum ersten Mal in Frankfurt sind, ahnen nicht, dass noch eine weitere, schwer zu nehmende Hürde auf sie wartet. Zwölf Treppenstufen müssen die Ausdauerathleten hinuntergehen, bis sie aus den Glastüren wieder hinaus ins Freie treten und sich ausgiebig verpflegen und massieren lassen können. Was harmlos aussieht, kann nach 42,195 Kilometern durch die City, nach Höchst und wieder zurück, zur Tortur werden, wie die F.A.Z. berichtet. Einer hängt mit den Armen am Geländer, kriecht mehr, als zu gehen. Ein anderer schafft den Abgang nur Stück für Stück auf dem Hinterteil. Viele der Humpelnden und Strauchelnden lehnen die helfenden Arme nicht ab, die ihnen das Dutzend Freiwilliger im hellgrünen Oberteil der Veranstalter bietet.

Kreislaufprobleme und Muskelschmerzen

Auch David Rau wurde „erst mit dem ersten Schritt“ klar, vor welcher Schwierigkeit er Minuten nach dem Zieleinlauf mit seinem Bruder steht. Die beiden Darmstädter haben gemeinsam ihr Debüt bei dem Klassiker gegeben und waren mit ihren Zeiten um die 3:30 Stunden zufrieden. Doch beim Tritt auf die Treppe erfasst den 29 Jahre alten Valentin leichter Schwindel, und er muss sich bei seinem ein Jahr älteren Bruder abstützen. So ein Marathon sei „eine Grenzerfahrung“, bei der man „sich selbst näher kommt“, sagt der Premieren-Finisher gegenüber der F.A.Z.. Danach ließen sich auch einfachste Aufgaben nicht mehr so leicht erfüllen. Zu etwaigen Kreislaufproblemen kommen heftige Muskelschmerzen.

„42 Kilometer sind 42.000 Schritte“, sagt die olympiaerfahrene Expertin Claudia Dreher der F.A.Z.. „Die Muskulatur leistet dabei Schwerstarbeit, und es gehen kleine Mikrostrukturen kaputt.“ Wenn dann mit größtmöglicher Willenskraft das Ziel erreicht werde, denke sich der Körper, dass das Tagwerk damit getan sei. „Dann ist es schwer, noch eine andere Bewegung reinzubringen“, sagt die ehemalige Topathletin.

James Bells Stil, die Treppe zu bewältigen, bestätigt dies. Der in Göttingen lebende Australier schleicht die kleinen Etappen rückwärts hinab. Zum dritten Mal hatte er sich der Herausforderung in Frankfurt gestellt und in 3:32 Stunden eine neue persönliche Bestzeit erzielt. Die Belastung habe die Beine schwer gemacht, der Rückwärtslauf schone die am meisten beanspruchten Stellen, so Bell gegenüber der F.A.Z..

André Zwingmann hat sich an der Seite kurz hingesetzt, bevor er die letzten Schritte abwärtsgeht. „Kreislaufprobleme“ seien der Grund dafür, sagt der 48 Jahre alte Friedrichsdorfer. Die habe er schon vorher gehabt, dort, wo der Untergrund noch eben war. Aber auch wenn das Licht nach dem Verlassen der Festhalle die taumelnden Läufer klarer sehen lässt, sind die Unsicherheiten noch nicht verschwunden. „Das war mein achter Marathon in Frankfurt“, sagt Zwingmann der F.A.Z.. Aber er habe für das Rennen, bei dem er 3:18 Stunden unterwegs war, dieses Mal nicht ausreichend trainiert, und dafür sei er bestraft worden.

Clotilde Vromman steht noch ganz gut auf den Beinen, doch auch sie fühlt sich steif und auf der Treppe nicht wirklich stabil. Die Belgierin tritt immer erst mit beiden Füßen auf eine Stufe, bevor sie die nächste in Angriff nimmt. Ihr Bruder Hubert sollte schon vor einigen Minuten vorangegangen sein. „Er hat hoffentlich die neue Bestzeit geschafft, die er laufen wollte“, sagt die Schwester. Sie selbst sei in 3:42 Stunden daran gescheitert.

Warum jede Stufe zur Qual wird

Nach einem Marathon, Halbmarathon oder einem anderen langen Wettkampf fühlen sich die Muskeln und der gesamte Körper verständlicherweise schlapp an. Das liegt daran, dass bei der Belastung kleine Mikrostrukturen in der Muskulatur kaputt gehen. Der Körper hat viel Kraft und Energie aufgewendet und braucht nun Zeit zur Regeneration.

Die erste Maßnahme in einer Regenerationsphase ist: gar nichts zu tun, sich einfach auszuruhen, zu entspannen. Das fällt vielen Läufern schwer, denn in der Vorbereitung auf den Wettkampf sind sie mehrmals die Woche gelaufen. Regeneration meint aber nicht nur faul auf dem Sofa oder in der Hängematte zu liegen. Man kann genauso gut auch etwas Aktives tun und Maßnahmen wählen, mit denen man sogar die Regeneration fördert.

Direkt nach dem Zieleinlauf bei einem Wettkampf haben sich einige Maßnahmen bewährt, die die Regeneration des Körpers beschleunigen:

- Auslaufen: Das langsame Traben direkt nach dem Zieleinlauf bei einem Wettkampf hat heilsame Wirkungen. Dabei werden die zuvor stark beanspruchten Muskeln nur im langsamsten Lauftempo über zirka zehn Minuten locker bewegt. Das Auslaufen bedingt eine verbesserte Durchblutung des Muskelgewebes und den schnelleren Abbau von Laktat (Milchsäure), einem Stoffwechselprodukt, das sich bei harten Belastungen im Muskel ansammelt. - Stretching: Auch Dehnübungen fördern die Durchblutung überlasteter Muskelfasern und beugen außerdem Verkürzungen im Sinne von Mobilitätseinschränkungen der Muskulatur vor. Unmittelbar nach einer Belastung verhindert äußerst vorsichtiges (!) Stretching Muskelverspannungen und -verhärtungen. Auch Ausschütteln und Lockern der beanspruchten Muskeln tut gut. - Ausreichend trinken: Nach einer schweren Belastung sind die Wasser- und Elektrolytvorräte erschöpft. Es kann zehn bis 20 Stunden dauern, bis der Körper wieder völlig rehydriert ist. Am sinnvollsten sind zur schnellen Rehydration Wasser, verdünnte Fruchtsäfte oder Elektrolytgetränke geeignet. - Essen nicht vergessen: Vor allem nach Wettkämpfen sind die Glykogenspeicher nahezu vollständig entleert. Die Entleerung der Glykogenspeicher steigert die Aktivität der Glykogensynthetase, was die Bereitschaft der Zellen erhöht, wieder Glykogen zu speichern. Diese ist zwischen zwei und vier Stunden nach der Belastung am höchsten und geht schließlich innerhalb der nächsten zwölf bis 24 Stunden wieder zurück. Man füllt seine Kohlenhydratspeicher also am effektivsten zwei bis vier Stunden nach der Belastung auf. Ideal ist übrigens eine Kombination aus Kohlenhydraten und Eiweiß, gern auch in flüssiger Form, falls der Magen direkt nach dem Rennen empfindlich ist. Ein Beispiel wäre ein Gemisch aus Kefir oder Buttermilch und Orangensaft. Auch die Tage danach sollte man sich besonders gesund und ausgewogen ernähren, um dem Körper die verlorene Energie zurück zugeben. Proteine und Kohlenhydrate sollten auch dabei die Hauptbestandteile sein. - Massage und Eisbad: Die verbesserte Muskeldurchblutung während der Massage – also genau der Effekt, den auch Stretching und Auslaufen erreichen, der, wie schon oben erwähnt, den Laktatabbau und die Versorgung des Muskelgewebes mit Nährstoffen bedingt –, ist nicht von der Hand zu weisen. Eisbäder können die Regeneration zusätzlich unterstützen.

Für jede fünf Wettkampfkilometer sollte man sich etwa drei Tage Erholung gönnen, bevor man wieder hart trainiert oder einen Wettkampf bestreitet. Im Klartext bedeutet dies für einen Halbmarathonläufer: Zwölf Tage nach dem Halbmarathon sollte man kein Tempotraining durchführen, keine neue Wettkampfbelastung auf sich nehmen und eher locker trainieren. Marathonläuferinnen und -läufer halten sich demnach idealerweise knapp vier Wochen mit harten Laufbelastungen zurück.

Quellen:

- F.A.Z.: https://www.faz.net/aktuell/rhein-main/frankfurt/warum-nach-dem-marathon-die-kleinste-stufe-zur-qual-wird-110073429.html

- Runner’s World: https://www.runnersworld.de/lauftraining/regeneration-nach-dem-wettkampf/

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