Das elektronische Trinkgeld via Kartenzahlung ist zunehmend präsent und verändert die Trinkgeldkultur in Deutschland. Neue Kartenlesegeräte machen es einfacher denn je, Trinkgeld hinzuzufügen, selbst in Selbstbedienungscafés. Wie die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung (F.A.S.) berichtet, führt diese Entwicklung zu neuen Fragen bezüglich Kundenzufriedenheit und Servicequalität.
Während Trinkgeld in Deutschland traditionell ein Zeichen der Wertschätzung für guten Service ist, verändert sich die Dynamik durch die Digitalisierung. Die F.A.S. zitiert eine Studie der Marketingforscher Nathan Warren und Sara Hanson, die zeigt, dass der soziale Druck beim elektronischen Trinkgeldgeben die Kundenzufriedenheit negativ beeinflussen kann. Kunden fühlen sich oft gezwungen, Trinkgeld zu geben, selbst wenn sie mit dem Service nicht zufrieden sind. Dies liegt daran, dass die Ablehnung von Trinkgeld am Kartenlesegerät, unter dem Blick des Servicepersonals, als unangenehm empfunden wird.
Warren betont, dass die ständige Beobachtung beim Trinkgeldgeben das positive Gefühl der freiwilligen Geste zunichtemacht. Wie die F.A.S. weiter ausführt, kann dies langfristig dazu führen, dass Kunden seltener wiederkehren oder das Lokal weniger weiterempfehlen. Besonders betroffen sind Betriebe, die auf Stammkundschaft angewiesen sind, wie Friseure, Nagelstudios oder Bistros.
Die F.A.S. gibt auch praktische Tipps für Dienstleister und Kunden. So sollten Servicemitarbeiter den Kunden beim Bezahlen mehr Freiraum lassen, indem sie sich beispielsweise wegdrehen oder das Gerät kurz am Tisch stehen lassen. Kunden wiederum sollten sich ihrer eigenen Trinkgeld-Philosophie bewusst sein und nicht automatisch die höchste Option wählen, nur weil sie angeboten wird. Linda Kaiser von der Deutschen-Knigge-Gesellschaft, zitiert in der F.A.S., empfiehlt weiterhin fünf bis zehn Prozent Trinkgeld in der Gastronomie, bei Friseuren, Lieferdiensten oder Handwerkern. In Läden mit Selbstbedienung sei Trinkgeld zwar eine nette Geste, aber keine Verpflichtung.
Ein weiterer Aspekt ist die Gestaltung der Optionen auf den Kartenlesegeräten. Oftmals sind selbst die niedrigsten Optionen relativ hoch angesetzt, was dazu führt, dass Kunden in der Eile eher mehr Trinkgeld geben, als sie eigentlich möchten. Wie ein Artikel der FAZ über Trinkgeld-Trends berichtet, wird diskutiert, ob Optionen wie "Wie wär's mit einem Euro?" die Situation entschärfen könnten.
Die zunehmende Verbreitung elektronischer Zahlungen verändert somit die Art und Weise, wie wir mit Trinkgeld umgehen. Es bleibt abzuwarten, wie sich diese Entwicklung langfristig auf die Kundenzufriedenheit und die Servicekultur auswirken wird. Weitere Forschung ist notwendig, um die komplexen Zusammenhänge zwischen elektronischem Trinkgeld, Kundenzufriedenheit und Servicequalität umfassend zu verstehen.
Verwendete Quellen:
https://www.faz.net/aktuell/finanzen/kartenzahlung-frust-mit-dem-elektronischen-trinkgeld-110253031.html
https://www.faz.net/aktuell/rhein-main/frankfurt/trinkgeld-trends-wie-digitale-terminals-das-geben-beeinflussen-110241699.html
https://files.secure.website/wscfus/5261551/7004898/ijhm-tip-policy-effects-final.pdf
https://www.igi-global.com/gateway/article/70407