19.10.2024
Drogenkonsumräume in Deutschland: Chance oder Herausforderung?

Drogenkonsumräume: Überlebenshilfe oder Totgeburt?

In Deutschland wird seit nunmehr 30 Jahren über die Einrichtung von Drogenkonsumräumen diskutiert. Diese speziellen Einrichtungen bieten Drogenabhängigen die Möglichkeit, unter kontrollierten Bedingungen Drogen zu konsumieren. Frankfurt am Main gilt als Vorreiter in diesem Bereich, da hier im Dezember 1994 der erste offizielle Drogenkonsumraum eröffnet wurde. Die Stadt hat seither mehrere solcher Einrichtungen etabliert, doch die Debatte über deren Effektivität und Notwendigkeit bleibt kontrovers.

Die Entwicklung der Drogenkonsumräume in Frankfurt

Der erste Drogenkonsumraum, bekannt als „Eastside“, wurde in einem Industriegebiet im Stadtteil Fechenheim eröffnet. In den Jahren danach folgten weitere Einrichtungen, insbesondere in der Nähe des Hauptbahnhofs. Der größte Drogenkonsumraum befindet sich in der Niddastraße und wird von der Integrativen Drogenhilfe betrieben. Im Jahr 2022 wurden dort über 60.000 Konsumvorgänge dokumentiert, was die hohe Nachfrage nach solchen Angeboten verdeutlicht.

Die Betreiber der Konsumräume argumentieren, dass diese Einrichtungen eine Erfolgsgeschichte darstellen. Gabi Becker, die Geschäftsführerin der Integrativen Drogenhilfe, betont, dass das zentrale Ziel der Konsumräume das Überleben der Drogenabhängigen sei. In der Tat ist die Zahl der Drogentoten in Frankfurt von 147 im Jahr 1991 auf 20 im Jahr 2022 gesunken, während die Zahl der Drogentoten in Deutschland insgesamt gestiegen ist.

Gesundheitspolitische und ordnungspolitische Ziele

Professor Heino Stöver, Direktor des Instituts für Suchtforschung an der Frankfurt University of Applied Sciences, hebt hervor, dass die Drogenkonsumräume zwei Hauptziele verfolgen. Zum einen sollen sie gesundheitspolitisch dazu beitragen, Todesfälle und Krankheiten zu verhindern. Zum anderen zielen sie darauf ab, den Drogenkonsum aus dem öffentlichen Raum zu verdrängen.

Die Herausforderungen der heutigen Drogenszene

Die Realität in den Drogenkonsumräumen zeigt jedoch, dass diese Einrichtungen nicht alle Drogenabhängigen von der Straße holen können. Die Drogenszene hat sich in den letzten Jahrzehnten verändert. Während in den frühen 1990er Jahren Heroinabhängige die Hauptgruppe der Konsumenten waren, dominieren heute Drogen wie Crack. Gesundheits- und Sozialdezernentin Elke Voitl weist darauf hin, dass Crack offen auf der Straße konsumiert wird und die Abhängigen häufig unruhig und aggressiv sind, was sie dazu veranlasst, geschlossene Räume zu meiden.

Voitl ist der Ansicht, dass der „Frankfurter Weg“ nicht gescheitert ist, sondern weiterentwickelt werden muss. Die Drogenkonsumräume sollten besser auf die Bedürfnisse von Crack-Konsumenten abgestimmt werden, was bedeutet, dass weniger Plätze zum Spritzen und mehr Plätze zum Rauchen geschaffen werden sollten. Zudem wird nach einem geeigneten Standort für ein integriertes Drogen- und Suchthilfezentrum gesucht, das spezielle Angebote für Crack-Konsumenten bietet.

Die Sicht der Eigentümer und Anwohner

Die Eigentümerinitiative Bahnhofsviertel äußert jedoch Bedenken hinsichtlich der Wirksamkeit der Drogenkonsumräume. Sprecher Ralph Haerth erklärt, dass die Einrichtungen nicht in der Lage seien, Crack-Konsumenten zu erreichen, da diese ihre Drogen überwiegend auf der Straße konsumieren. Die Anwohner berichten von Schwierigkeiten, neue Mieter zu finden, und einige Eigentümer sehen sich gezwungen, Sicherheitsdienste aus eigener Tasche zu bezahlen.

Die Situation in Hessen

Die vier Drogenkonsumräume in Frankfurt sind die einzigen in ganz Hessen. In anderen Bundesländern gibt es nur wenige vergleichbare Einrichtungen. Die Stadt fühlt sich von den hessischen Kommunen und dem Land Hessen im Stich gelassen, da die Drogenhilfe in Frankfurt auch für andere Städte und Regionen zuständig ist. Voitl fordert daher, dass die hessischen Kommunen und das Land mehr Verantwortung übernehmen und die Drogenhilfe koordinieren.

Die Klientel der Drogenkonsumräume

Eine Auswertung des Instituts für Suchtforschung zeigt, dass nur 44 Prozent der Klienten ihren Wohnsitz in Frankfurt haben. Ein erheblicher Teil der Konsumenten kommt aus anderen Städten oder sogar aus anderen Bundesländern. Dies wirft die Frage auf, ob die Drogenkonsumräume tatsächlich die Ursache für die Anziehung von Drogenabhängigen nach Frankfurt sind oder ob es andere Faktoren gibt, die zu diesem Phänomen führen.

Die Zukunft der Drogenkonsumräume

Die Diskussion um die Drogenkonsumräume in Frankfurt und anderen Städten in Deutschland bleibt angespannt. Während einige Akteure die Einrichtungen als notwendige Maßnahme zur Reduzierung von Drogentoten und zur Verbesserung der Gesundheit von Drogenabhängigen betrachten, sehen andere sie als gescheitert an. Es bleibt abzuwarten, wie die Stadt Frankfurt und andere hessische Kommunen auf die Herausforderungen der sich verändernden Drogenszene reagieren werden.

Die Frage, ob Drogenkonsumräume eine Überlebenshilfe oder eine Totgeburt sind, wird weiterhin kontrovers diskutiert. Die Antworten darauf sind so vielschichtig wie die Problematik selbst und erfordern eine differenzierte Betrachtung der aktuellen Entwicklungen und Herausforderungen.

Quellen: dpa, Zeit Online

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