Die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) plant, Opfern sexuellen Missbrauchs Anerkennungsleistungen in Höhe von mindestens 15.000 Euro zu zahlen. Wie die Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) berichtet, wurde dieses Modell bei der EKD-Synode in Würzburg vorgestellt. Es handelt sich um ein sogenanntes "Kombimodell", das neben einer pauschalen Mindestzahlung von 15.000 Euro auch eine individuelle Leistung vorsieht, deren Höhe sich an Entscheidungen deutscher Zivilgerichte orientiert. Der Betroffenensprecher Detlev Zander bezeichnete die 15.000 Euro als „absolute Untergrenze“ und „hart errungenen Kompromiss“, wie evangelisch.de berichtet. Er kritisierte zudem, dass einigen Verantwortlichen in Kirche und Diakonie der Betrag immer noch zu hoch erscheine.
Das Modell sieht vor, dass jede betroffene Person das Recht hat, angehört zu werden. Wie der Deutschlandfunk meldet, soll das Recht Betroffener auf Aufarbeitung der sexualisierten Gewalt kirchenrechtlich verankert werden. Forscher gehen von mindestens 2.225 Betroffenen im Bereich der EKD und der Diakonie aus, die Zahl der bekannten Täter wird auf fast 1.260 geschätzt.
Die Synode selbst beschließt das Modell nicht final, sondern leitet es an die 20 Landeskirchen und 17 diakonischen Landesverbände weiter, die bis zum Frühjahr darüber entscheiden müssen. Dorothee Wüst, Sprecherin der kirchlichen Beauftragten im Beteiligungsforum, erwartet laut evangelisch.de keine grundlegenden Änderungen mehr an dem Modell. Ziel sei es, die bislang unterschiedlich praktizierten Anerkennungsverfahren zu vereinheitlichen und einheitliche Standards zu schaffen.
Neben den Anerkennungsleistungen plant die Synode weitere Maßnahmen, die aus der im Januar vorgestellten Studie über das Ausmaß von Missbrauch in der evangelischen Kirche und Diakonie resultieren. Wie die Evangelische Zeitung berichtet, soll unter anderem eine zentrale Ombudsstelle geschaffen werden, die Betroffene bei Konflikten mit kirchlichen und diakonischen Stellen unterstützt. Der Nordkurier berichtet zudem über eine Demonstration von Betroffenen vor dem Tagungsort in Würzburg, die die Maßnahmen der Kirche für nicht ausreichend halten und unter anderem ein unabhängiges Monitoring fordern.
Die Debatte um den Umgang mit Missbrauchsfällen in der evangelischen Kirche wird auch durch die verzögerte Aufklärung eines großen Missbrauchsfalles zusätzlich belastet, wie die FAZ berichtet. Der Kirchenrechtler Thomas Schüller fordert laut der Neuen Westfälischen mindestens 100.000 Euro Entschädigung für jedes Opfer und kritisiert den Umgang der EKD mit den Betroffenen. Die Rheinische Post berichtet über den Druck, der auf der Synode lastet, angesichts der Proteste von Betroffenen und der Forderung nach mehr Transparenz und Konsequenzen.
Die EKD-Synode tagt in Würzburg zum Schwerpunktthema "Migration, Flucht und Menschenrechte". Wie evangelisch.de berichtet, hat der Vorsitzende der katholischen Deutschen Bischofskonferenz, Georg Bätzing, auf der Synode für mehr Zusammenarbeit zwischen den beiden großen Kirchen geworben. Der neue evangelische Ökumene-Bischof Christian Kopp begrüßte die Reformpläne in der katholischen Kirche.
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