19.10.2024
Forum für Betroffene von sexualisierter Gewalt in der evangelischen Kirche

In Hannover: Forum für Missbrauchs-Betroffene in evangelischer Kirche

In einem bedeutenden Schritt zur Aufarbeitung sexualisierter Gewalt in der evangelischen Kirche und der Diakonie in Niedersachsen und Bremen findet am 3. August 2024 ein erstes Forum für Betroffene statt. Die Veranstaltung, die im Werkhof Hannover stattfinden wird, richtet sich an Menschen, die in kirchlichen Institutionen Missbrauch erfahren haben. Organisiert wird das Treffen von der Unabhängigen Regionalen Aufarbeitungskommission (URAK), die einen geschützten Raum für den Austausch und die Vernetzung der Betroffenen schaffen möchte.

Hintergrund der Veranstaltung

Sexualisierte Gewalt stellt ein gravierendes Problem in der evangelischen Kirche dar, das lange Zeit nicht ausreichend thematisiert wurde. Die bereits etablierte URAK hat das Ziel, die Aufarbeitung dieser Gewalt zu fördern, indem sie Betroffene in den Prozess einbezieht und ihnen eine Plattform bietet, um sich auszutauschen. Ute Dorczok, die Geschäftsstellenleiterin der URAK, erwartet eine Teilnehmerzahl von etwa 20 bis 30 Personen. Dies basiert auf Erfahrungen aus anderen Städten, in denen ähnliche Foren stattfanden, wie beispielsweise in Hamburg und Dortmund.

Vertrauliche Atmosphäre

Um einen geschützten Rahmen zu gewährleisten, sind Medienvertreter und Pressesprecher der Kirche von der Veranstaltung ausgeschlossen. Stattdessen wird eine externe Moderation eingesetzt, um die Gespräche zu leiten und sicherzustellen, dass sich alle Teilnehmer wohl und sicher fühlen. Zusätzlich wird ein Awareness-Team anwesend sein, das für die emotionale Unterstützung der Betroffenen sorgt.

Ziele des Forums

Das Forum hat mehrere zentrale Ziele:

- Vernetzung der Betroffenen, die sexualisierte Gewalt im kirchlichen Kontext erlebt haben. - Austausch über persönliche Erfahrungen und Unterstützung untereinander. - Informationen über den Aufbau und die Aufgaben der URAK, um den Betroffenen eine aktive Mitgestaltung zu ermöglichen. - Kontaktaufnahme zu Vertretern von Kirche und Diakonie, um notwendige Schritte zur Aufarbeitung zu diskutieren.

Die URAK hat die Aufgabe, quantitative Daten zu Fällen sexualisierter Gewalt zu erheben, um das tatsächliche Ausmaß dieser Problematik in den Landeskirchen und diakonischen Einrichtungen zu verstehen. Dabei sollen auch Strukturen identifiziert werden, die solche Taten begünstigt haben oder die Aufklärung erschwerten.

Kritik an der Landeskirche

Die evangelische Kirche in Hannover steht in der Kritik, da Betroffene der Meinung sind, dass die Thematik der sexualisierten Gewalt nicht ernst genommen wird. Landesbischof Ralf Meister sah sich kürzlich Forderungen nach seinem Rücktritt gegenüber, nachdem vier Betroffene vor der Landessynode eine intensivere Auseinandersetzung mit dem Thema gefordert hatten. Meister hat mittlerweile einen Kulturwandel innerhalb der Kirche angekündigt, um den Umgang mit sexualisierter Gewalt zu reformieren.

Die Rolle der Unabhängigen Regionalen Aufarbeitungskommission

Die Gründung der URAK ist Teil einer größeren Initiative, die in Deutschland ins Leben gerufen wurde, um die Aufarbeitung von Missbrauchsfällen in kirchlichen Institutionen zu unterstützen. Es existieren insgesamt neun solcher Kommissionen, die aus Experten verschiedener Bereiche, darunter Wissenschaft, Justiz und Verwaltung, sowie Betroffenen und Vertretern der Kirche und Diakonie bestehen. Diese Kommissionen arbeiten daran, verbindliche Standards für die Aufarbeitung sexualisierter Gewalt zu entwickeln.

Zusammenarbeit mit der Bundesregierung

Ende des letzten Jahres hat die Evangelische Kirche in Deutschland in Zusammenarbeit mit der Unabhängigen Beauftragten der Bundesregierung für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs verbindliche Standards und Kriterien für die Aufarbeitung sexualisierter Gewalt festgelegt. Diese Vereinbarung zeigt die Absicht der Kirche, sich transparent und professionell mit der Aufarbeitung auseinanderzusetzen.

Fazit

Das bevorstehende Forum in Hannover stellt einen wichtigen Schritt dar, um Betroffenen von sexualisierter Gewalt in der evangelischen Kirche und Diakonie eine Stimme zu geben und ihnen die Möglichkeit zu bieten, sich untereinander auszutauschen. Die Initiative wird von der URAK getragen und soll nicht nur der Aufarbeitung dienen, sondern auch die Betroffenen aktiv in den Prozess einbeziehen. Die Veranstaltung könnte somit eine grundlegende Wende im Umgang der evangelischen Kirche mit dem Thema Missbrauch darstellen und den Weg für eine offene und ehrliche Diskussion ebnen.

Die Einladung zum Forum richtet sich an alle, die in kirchlichen Kontexten sexualisierte Gewalt erfahren haben, und es wird ermutigt, diese Information weiterzugeben, um möglichst viele Betroffene zu erreichen.

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