Auf dem Grünen-Parteitag in Wiesbaden positionierte sich Robert Habeck deutlich gegen eine Neuauflage der Großen Koalition und warb für seine Kanzlerkandidatur. Wie die FAZ berichtet, warnte er eindringlich vor einem Bündnis aus Union und SPD nach der Bundestagswahl. Er machte die vorherigen großen Koalitionen für diverse Missstände verantwortlich, die die Ampel-Koalition geerbt habe.
Habeck nannte die Energieabhängigkeit von Russland, mangelnde Investitionen in Infrastruktur und überbordende Bürokratie als Beispiele. Die großen Koalitionen hätten eine "Liebesaffäre mit dem Status quo" gepflegt, so Habeck unter dem Beifall der Delegierten, und seien "verantwortlich für den Stillstand". "Diese Politik fortzusetzen schadet Deutschland", betonte er laut FAZ.
Der Wirtschaftsminister soll am Sonntag von seiner Partei als Kanzlerkandidat bestätigt werden. In einem Dringlichkeitsantrag wird er als "Kandidat für die Menschen" bezeichnet und soll gemeinsam mit Außenministerin Annalena Baerbock als Spitzenduo antreten. Habeck erklärte, er wolle "weiter Verantwortung tragen, und wenn es uns ganz weit trägt, dann auch ins Kanzleramt".
Baerbock, die sich 2021 gegen Habeck in der Kandidatur durchgesetzt hatte, lobte ihn für seinen Kurs als Wirtschaftsminister in Krisenzeiten und die Befreiung Deutschlands von der russischen Energieabhängigkeit. "Wir wollen Robert als Kanzler", so Baerbock. Wie der Stern berichtet, erzielten die Grünen 2021 mit Baerbock als Kanzlerkandidatin 14,8 Prozent. Aktuelle Umfragen sehen sie zwischen zehn und zwölf Prozent. "Keiner kann im Sturm das Ruder so rumreißen wie Robert Habeck und zugleich bei Rückenwind die Segel richtig setzen", sagte Baerbock laut Stern.
Habeck betonte die Bedeutung der Gleichberechtigung für Männer: "Ein Land wird stärker, wenn es gleichberechtigter ist." Er forderte eine Reform der Schuldenbremse, wie sie die Delegierten am Vortag beschlossen hatten, und bot dem CDU-Vorsitzenden an, diese noch vor der Bundestagswahl anzugehen.
In seiner Rede identifizierte Habeck drei Bedrohungen für die Freiheit: die Bedrohung von außen durch autoritäre Machthaber, insbesondere durch den russischen Angriffskrieg in der Ukraine; die Gefahr durch Populisten im Inland; und die Bedrohung von Freiheit und Sicherheit durch die Klimaerwärmung.
Habeck übte auch Selbstkritik an der Ampel-Koalition und eigenen Fehlern, darunter das Gebäudeenergiegesetz. "Ich weiß, dass auch ich Vertrauen verloren habe", räumte er ein. Seine Antwort sei jedoch: "Jetzt nicht zu kneifen." Er zitierte einen Satz, den er seinen Söhnen beim Schwimmenlernen gesagt habe: "Du musst dich bewegen, sonst gehst du unter." Dies gelte auch für ihn und seine Kandidatur.
Wie die Morgenpost berichtet, war die Stimmung auf dem Parteitag erleichtert über das Ende der Ampel-Koalition. Habeck betonte die Notwendigkeit, nach vorne zu schauen und Orientierung zu geben. Er sieht die freiheitliche Demokratie durch autokratische Regime bedroht, die Institutionen destabilisieren und die Medien nutzen. Die Antwort sei ein stärkeres Bündnis der Demokratien in der EU.
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