Robert Habecks Rückkehr auf die Plattform X (ehemals Twitter) markiert den Beginn seiner Kanzlerkandidatur, wie die F.A.Z. berichtet. Sein Wahlkampfauftakt ist detailliert inszeniert, vom Freundschaftsbändchen am Handgelenk bis zur Botschaft, den Diskurs nicht „Schreihälsen und Populisten“ zu überlassen. Dieser Schritt erfolgt in einer für die Grünen turbulenten Zeit. Nach Verlusten bei der Europa- und den Landtagswahlen in Ostdeutschland steht die Partei vor der Herausforderung, sich neu zu positionieren. Der anstehende Parteitag soll die neue Führung bestätigen und das Wahlprogramm finalisieren – ein Prozess, der durch das unerwartete Ampel-Aus beschleunigt werden musste.
Mit Umfragewerten um die zehn Prozent erscheint der Griff nach dem Kanzleramt kühn. Dennoch könnte der Tiefpunkt überwunden sein. Wie die F.A.Z. analysiert, dürften kontroverse Gesetzesvorhaben, die die Wähler verprellen könnten, vom Noch-Bundeswirtschaftsminister nicht mehr zu erwarten sein. Stattdessen inszeniert sich Habeck als überparteilicher Staatsmann, der die gespaltene Gesellschaft einen will. Diese Strategie der Distanzierung von der eigenen Partei wirft die Frage auf, ob sie sowohl bei den Grünen als auch im Land Erfolg haben wird.
Die neue Parteispitze, bestehend aus Franziska Brantner und Felix Banaszak, scheint auf Habecks Linie zu liegen. Brantner, eine Pragmatikerin vom Realo-Flügel, vertritt Positionen, die auch von CDU oder FDP stammen könnten. Banaszak, vom linken Flügel, ist als Pragmatiker im Haushaltsausschuss in Erscheinung getreten, wo er den Klima- und Transformationsfonds, ein zentrales Instrument von Habecks Agenda, beaufsichtigte.
Doch dieser „bürgerliche“ Teil der Grünen repräsentiert nur einen kleinen Teil der Partei. Die Basis ist weiterhin links ausgerichtet. Wie interne Abstimmungen zeigen, dominieren die Anliegen des linken Flügels die Parteitagsagenda. Themen wie höhere Besteuerung von Vermögenden und eine liberalere Migrationspolitik stehen im Vordergrund. Für viele Grüne steht Wirtschaftspolitik gleich Sozialpolitik, mit der Kindergrundsicherung als zentralem Anliegen. Freihandelsabkommen, die von Habeck und Brantner befürwortet werden, werden von einem Teil der Partei als neoliberal abgelehnt. Habeck steht vor der Herausforderung, diesen innerparteilichen Widerstand zu managen und gleichzeitig einen Wahlkampf mit „wenig Grün“ zu führen, wie es sein X-Account suggeriert.
Ob diese Strategie aufgeht, ist fraglich. Das Heizungsgesetz hat tiefe Spuren im gesellschaftlichen Gedächtnis hinterlassen. Das (verzögerte) Verbot von Gas- und Ölheizungen symbolisiert einen dirigistischen Politikansatz, der die gesamte Partei prägt und auf das Ziel der Klimaneutralität bis 2045 fixiert ist. Deutschland soll Vorreiter sein, auch wenn es dafür international belächelt wird.
Habecks Äußerung, den Grünen gehe es um wirtschaftliche Erholung „durch den Klimaschutz“, verdeutlicht die Parteiideologie, dass nur klimafreundliches Wachstum gutes Wachstum ist. Andererseits gibt es in Deutschland viele, die einen lenkenden Staat begrüßen, solange er den Weg mit Fördermitteln ebnet. Die Begeisterung für „den Robert“, auch in Wirtschaftskreisen, lässt vermuten, dass Habeck als „maßvoller Modernisierer“ durchaus überzeugen könnte.
Weitere Berichterstattung zum Thema finden Sie bei der Süddeutschen Zeitung, die über die Reaktionen in den Talkshows nach dem Ampel-Aus berichtet, und beim Spiegel, der ein Gespräch zwischen Habeck und Michael Kretschmer analysiert.
Quellen: