25.10.2024
Italienische Bank unter Zwangsverwaltung wegen 'Ndrangheta-Verdachts

Bankkredite für die 'Ndrangheta: Ein Novum in Italien

Die italienische Finanzwelt ist erschüttert: Die Banca Progetto, mit Sitz in Rom und Mailand, steht unter dem Verdacht, über Jahre hinweg Unternehmen aus dem Umfeld der 'Ndrangheta, der kalabrischen Mafia, mit Krediten in Höhe von über zehn Millionen Euro versorgt zu haben. Wie die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" (FAZ) berichtet, haben Mailänder Staatsanwälte die Bank daher unter eine Form der staatlichen Zwangsverwaltung gestellt.

Der Fall ist beispiellos in Italien. Noch nie zuvor wurde eine Bank in diesem Zusammenhang unter richterliche Aufsicht gestellt. Die Ermittler gehen davon aus, dass mindestens zwölf Unternehmen Darlehen erhalten haben, die der 'Ndrangheta zugutekamen. Die Bank soll dabei gegen Vorschriften zur Geldwäschebekämpfung verstoßen haben. Selbst nach der öffentlichkeitswirksamen Verhaftung eines Mafiabosses im Jahr 2023 sollen die Finanzierungen weitergelaufen sein, so die Staatsanwaltschaft. Die Darlehen seien an Unternehmen geflossen, "die vollständig in eine kriminelle Dynamik eingebunden waren", insbesondere in der Provinz Varese nördlich von Mailand.

Besonders brisant: Bei den Krediten handelte es sich um staatlich garantierte Finanzierungen, die eigentlich kleinen und mittleren Unternehmen im Zuge der Covid-Pandemie und des Ukrainekrieges zugutekommen sollten. Die staatliche Bank Mediocredito Centrale, die diese Bürgschaften verwaltet, hat sich zu den Vorwürfen bisher nicht geäußert.

Im Zentrum der Affäre steht der Mafiaboss Maurizio Ponzoni, der seit seiner Verhaftung im März 2023 die Banca Progetto in Vernehmungen belastet. Ponzoni und der ebenfalls inhaftierte Vincenzo Rispoli gelten als Schlüsselfiguren, die die 'Ndrangheta in der Lombardei fest etabliert haben. Ponzoni agierte dabei nicht offen, sondern bediente sich laut "FAZ" einem Netzwerk aus Firmen und Strohmännern. Zudem soll er mit gefälschten Rechnungen gearbeitet haben. Die Staatsanwaltschaft ist der Ansicht, dass die Bank diese Verbindungen hätte erkennen müssen. Bereits im April dieses Jahres beschlagnahmte die Polizei in der Provinz Varese rund 100 Immobilien im Wert von knapp zehn Millionen Euro, die Ponzoni durch jahrelange Betrügereien ergaunert haben soll.

Die Banca Progetto weist die Vorwürfe zurück und betont, ihre Sorgfaltspflicht gewahrt zu haben. "Wir sind weder eine Polizeibehörde noch das Finanzministerium", verteidigte sich Vorstandsvorsitzender Paolo Fiorentino auf einer Pressekonferenz. Die verdächtigen Personen oder Unternehmen seien keine Kunden der Bank. Lediglich bei zehn von 40.000 ausstehenden Krediten habe die Justiz Kontrollmängel festgestellt. Fiorentino betonte, dass die Bank ihre Geschäfte fortführen könne, da sie nicht unter eine scharfe Zwangsverwaltung gestellt worden sei. Es habe keine Abzüge von Kundengeldern gegeben.

Der Skandal kommt für die Banca Progetto zu einem ungünstigen Zeitpunkt. Die Bank, die sich auf die Vergabe von Krediten an kleine und mittlere Unternehmen spezialisiert hat, gehört derzeit noch der amerikanischen Fondsgesellschaft Oak Tree Capital Management. Im September wurde der Verkauf an die Fondsgesellschaft Centerbridge Partners bekannt gegeben. Die Transaktion ist jedoch noch nicht abgeschlossen, da noch Genehmigungen fehlen. Die Banca Progetto weist ausstehende Darlehen von über acht Milliarden Euro aus und konnte ihren Nettogewinn 2023 um fast 40 Prozent auf knapp 72 Millionen Euro steigern.

Die Ermittlungen der italienischen Behörden werfen ein Schlaglicht auf die Verflechtungen zwischen der Finanzwelt und der Organisierten Kriminalität. Es bleibt abzuwarten, welche Konsequenzen der Fall Banca Progetto für die italienische Bankenlandschaft haben wird.

Quellen:

Weitere
Artikel