19.10.2024
Kritik an niedersächsischem Schreiben zu Abschiebungen und deren Auswirkungen

Niedersachsen: Behördenschreiben zu Abschiebungen sorgt für Kritik

Ein internes Schreiben der niedersächsischen Landesaufnahmebehörde an die Bundespolizei hat in den letzten Tagen für erhebliche Irritationen und öffentliche Diskussionen gesorgt. In diesem Dokument, das von der „Bild“-Zeitung veröffentlicht wurde, wurde der Eindruck erweckt, dass Personen, die sich gegen ihre Abschiebung wehren, unter bestimmten Umständen freigelassen werden könnten. Dies führte zu scharfer Kritik von verschiedenen Seiten, einschließlich der Bundespolizeigewerkschaft.

Das Schreiben, datiert auf den 26. Juli, besagte: „Wenn sich der Betroffene weigert, in das Flugzeug zu steigen bzw. auf eine andere Art versucht, sich der Abschiebung zu widersetzen (aktiver/passiver Widerstand), kann dieser auf freien Fuß gesetzt werden und eigenständig zu der ihm zugewiesenen Unterkunft zurückreisen.“ Nach dieser Formulierung sollten die Betroffenen sich umgehend bei der zuständigen Ausländerbehörde melden. Diese Aussage wurde von vielen als problematisch angesehen, da sie den Eindruck erweckte, dass Widerstand gegen eine Abschiebung zu einer Freilassung führen könnte.

Die niedersächsische Landesaufnahmebehörde in Braunschweig reagierte auf die Kritik und erklärte, dass das interne Schreiben „leider ausgesprochen missverständlich und unpräzise formuliert“ sei. Eine Sprecherin der Behörde stellte klar, dass es sich nicht um eine generelle Weisung handele, die es ermögliche, Personen, die sich gegen ihre Abschiebung wehren, auf freien Fuß zu setzen. Die Behörde betonte, dass sie nicht befugt sei, eine solche Weisung zu erteilen und dass das Schreiben in dieser Form nicht mehr verwendet werde.

Rechtslage und Handlungsanweisungen

Hinter dem Schreiben steht eine klare, bundesweit gültige Rechtslage. Personen, die ausreisepflichtig sind und in Deutschland leben, dürfen nur dann in Haft genommen werden, wenn es dafür einen richterlichen Beschluss gibt. Andernfalls müssen sie auf freien Fuß gesetzt werden und sich eigenständig bei ihrer zuständigen Ausländerbehörde melden. Die Entscheidung, ob ein Widerstand von derartigem Gewicht ist, dass ein Haftantrag gestellt werden kann, liegt bei der Bundespolizei vor Ort.

Die Sprecherin der Landesaufnahmebehörde erklärte weiter, dass im Falle von schweren gewalttätigen Widerstandshandlungen, bei denen beispielsweise Polizeibeamte verletzt werden, die Verursacher in Gewahrsam genommen und gegebenenfalls auch in Haft genommen werden. Diese Entscheidungen obliegen jedoch der Justiz.

Kritik der Polizeigewerkschaft

Die Bundespolizeigewerkschaft äußerte sich ebenfalls kritisch zu dem Schreiben. Manuel Ostermann, der stellvertretende Bundesvorsitzende der Gewerkschaft, erklärte, dass der Rechtsstaat ad absurdum geführt werde, wenn Migranten durch passiven oder aktiven Widerstand einer Abschiebung entzogen werden könnten. Er betonte, dass solche Regelungen nicht nur die Rechtsstaatlichkeit in Frage stellen, sondern auch die Arbeit der Polizei und der Behörden erschweren.

Zusätzlich wurde darauf hingewiesen, dass eine gescheiterte Abschiebung nicht bedeutet, dass die betroffene Person dauerhaft in Deutschland bleiben darf. Die Person bleibt weiterhin ausreisepflichtig, und die Abschiebung wird erneut eingeleitet. Bei der Planung der erneuten Maßnahme wird das Verhalten der abzuschiebenden Person berücksichtigt, das zum Scheitern der ersten Maßnahme geführt hat.

Öffentliche Reaktionen und weitere Entwicklungen

Die Reaktionen auf das Schreiben und die darauf folgende Erklärung der Landesaufnahmebehörde waren gemischt. Während einige die Klarstellung begrüßten, äußerten andere Bedenken hinsichtlich der allgemeinen Vorgehensweise bei Abschiebungen. Die Diskussion über die Rechte von ausreisepflichtigen Personen und die Handhabung von Abschiebungen in Deutschland wird voraussichtlich weitergehen, insbesondere im Hinblick auf die Herausforderungen, die sich aus der aktuellen Migrationslage ergeben.

Die niedersächsische Landesregierung hat angekündigt, die internen Richtlinien zu überprüfen und gegebenenfalls anzupassen, um Missverständnisse in der Kommunikation mit den Behörden zu vermeiden. Zudem wird erwartet, dass die Diskussion über die rechtlichen Rahmenbedingungen für Abschiebungen und den Umgang mit Widerstand in den kommenden Wochen und Monaten an Intensität gewinnen wird.

Die Landesaufnahmebehörde hat betont, dass die Klarheit in der Kommunikation und die Einhaltung der rechtlichen Vorgaben von größter Bedeutung sind, um sowohl die Rechte der betroffenen Personen als auch die Integrität des deutschen Rechtssystems zu wahren.

Insgesamt bleibt abzuwarten, wie sich die Situation entwickeln wird und welche Maßnahmen ergriffen werden, um ähnliche Vorfälle in der Zukunft zu vermeiden. Die Thematik der Abschiebungen und der Umgang mit ausreisepflichtigen Personen bleibt ein hochsensibles und umstrittenes Thema in der deutschen Politik.

Quellen: Zeit Online, Süddeutsche Zeitung, Goslarsche Zeitung.

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